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Interpreten und Gestalter

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Als das pianistische Erlebnis dieses Jahres darf Wilhelm Backhaus’ Beethoven- Abend bezeichnet werden. Im Spiel dieses Meisters ist die Materie schlechthin überwunden. Ohne alle äußeren Attribute der Klavierlöwen — weder das gestische Pathos noch das genialische Wogen des Oberkörpers sind vorhanden —, mit ruhigsten Händen, aber bewegtestem Geist gestaltet, nicht interpretiert er Beethoven in drei gewaltigen Variationen seiner Sonatenkunst (op. 31, 57, 106) in ebensolcher Wahrheit des Ausdrucks als formaler Vollendung und unbetonter und doch um so stärker wirksamen Persönlichkeit.

Seiner klassischen Ruhe einigermaßen entgegengesetzt, weiß Adrian Äsch- b a c h e r mit der stürmischeren Bewegtheit des Jüngeren die Beethovensche Welt zu erobern und durch leidenschaftliche Hingegebenheit zu überzeugen. Seine Kunst hat großen Stil und stark musikantische Impulse, und fand ihren subtilsten Ausdrück in der Kreutzer-Sonate mit Wolfgang Schneiderhan als kongenialen Partner.

Es beweist die schier unermüdliche Spannkraft des Publikums, wenn nach diesen erlesenen Klavierabenden eine ganze Reihe kleinerer Pianisten aufmerksame und dankbare Zuhörer fand. Denn das Klavier, zwar immer noch „Instrument moderner Bildung” wie schon zu Heines Zeiten, an das schon die Siebenjährigen herangeführt werden, ist eben deshalb auch bis zum Überdruß „mit Geräusch verbunden” und als Landplage, zumal bei offenen Fenstern, nur von den Lautsprechern übertroffen, was im allgemeinen das Interesse nicht erhöhen dürfte. Andererseits beweist es freilich den ernsten Sinn der Jugend, ein Ideal trotz äußerster Profanierung nicht aufzugeben, sondern es durch um so intensivere Hingabe aufs neue zu adeln.

So wußte der blutjunge Jörg Demus in zwölf Präludien und Fugen aus dem Wohltemperierten Klavier nicht nur handwerkliches Können und ein ausgezeichnetes Gedächtnis, sondern eine nahezu intuitive Vertrautheit mit der strengen und doch so unbegrenzt ausschwingenden, weltweiten Kunst J. S. Bachs zu offenbaren und mit staunenswerter Frühreife die einzelnen Stücke zum Gesamtbild zu runden. Beethovens As-dur-Sonate op. 110 allerdings stand er trotz sauberstem Spiel und männlichem Anschlag noch ziemlich hilflos gegenüber.

Auch Eva Horner bemühte sich in einem respektablen Programm (Chromatische Fantasie, Goldberg-Variationen, Es- dur-Tripelfuge) um einen objektiven Bach- Stil, was ihr bei minder hochgesteckten Zielen vielleicht gelungen wäre. Den gewaltigen Spannbögen dieser Gipfelwerke indes hielt ihre Gestaltungskraft nicht stand. Weniger wäre hier mehr gewesen.

Dies vollends bei Heinz Graupner, der ein anspruchsvolles Programm mit einer gewissen handwerklichen Routine und nichts anderem vorführte. Er spielte an Schumann ebenso vorbei als an Brahms. Am besten gelang ihm Liszts „Venezia e Napoli”, drei kleine Stücke, vor die er fünf eigene „Improvisionen” stellte, die weniger mit Kunst als mit Tanzmusik zu t:un haben. Der geistige Impuls fehlte.

Neuer Klaviermusik war ein Hauskonzert des Verlages Döblinger gewidmet, das besonders in einem Rondo von Karl Schiske und in den Sonatinen von Hans Jelinek und Alfred Uhl eigenartige Werke zur Diskussion stellte, deren zuweilen bis an die Grenze der Tonalität vordringende Tonsprache scharf persönlich profiliert ist und bei aller Verschiedenheit einer gemeinsamen positiven Grundhaltung entspringt. Es ist nicht mehr Ausdrucks- kunst im herkömmlichen Sinn, vielmehr musikantisches Erlebnis, vom rhythmischen Impetus getragen, von der Neuheit des Einfalls mehr als von seinem Adel inspiriert. Letzteres gilt allerdings im umgekehrten Sinne von Gujtav Donaths breit angelegter Toccata und Fuge. Grete Hinterhofer war eine getreue und vollkommene Interpretin.

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