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Der Preis ßir Politiker

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Hiermit rufe ich alle mildtätigen Seelen mit spendablen und dicken Geldbörsen auf, mich zu unterstützen. Genaugenommen nicht mich persönlich, sondern mein Vorhaben. Ich habe nämlich einen Preis für von Künstlern verfolgte Politiker gestiftet. Im Gegensatz zu mir schützen und stützen zahlreiche internationale Organisationen Künstler, die, nicht so sehr von Kritikern, als vielmehr von Politikern, mit diktatorischen Neigungen und Eignungen verfolgt werden.

Die Gilde der Künstlerschützer ist also groß und die Konkurrenz hart. Umgekehrt ist es gänzlich anders. Ich will nämlich die armen und einfältigen Politiker vor den reichen und vielfältigen Attacken der Künstler schützen.

Meine philosophische Präambel ist einfach, einleuchtend, wenn auch nicht sonderlich glaubwürdig: ■ Die ganze gebildete Welt zwischen Wien und Amstetten-Ost kann auf Anhieb Dutzende Künstler von Roth bis Rubens nennen. Obwohl einige zu Lebzeiten nahezu verhungerten, werden ihre Werke diesseits des guten Geschmacks und jenseits der Tantiemen-Grenzen für Unsummen gehandelt. Da fällt mir, nur so nebenbei, ein: Wieso gibt es kein Ablaufdatum für Kunstwerke, die wie Wurst und Käse von Kunst„konsumenten” vereinnahmt werden?

■ Im Gegensatz zu den vielen großen Künstlern kennt man kaum mehr die bedeutenden Politiker, wenn ich von einigen ihrer Zunft- und Volksgenossen, die eher unangenehm auffielen, absehe?

Schuld an der ganzen Misere sind die Künstler, die immer schon Politiker verfolgten, wenn auch stets mit einigen Schritten Abstand. Bitte, keine Mißverständnisse: Ich verehre auch die Künstler, die ich vor dem Vorwurf der „Realitätsferne” stets in Schutz nehme. Wie real diese Künstler leben und werken, zeigt auch ihre Offenheit in alle Richtungen: Sie scheuen vor der Entgegennahme von Preisen und Stipendien genausowenig zurück wie vor der harten Kritik an den Preis-und Stipendienvergebern. Wichtig ist, daß sich die Künstler dabei nichts vergeben: vor allem keine Chance, ihre Werke lukrativ zu vermarkten.

Obwohl ich natürlich auf der Seite der Künstler stehe - auch ich will mei -ne Ware optimal loswerden - tun mir die von Künstlern geschundenen Politiker ausgesprochen leid. Deshalb habe ich auch meinen Politiker-Preis ins Leben gerufen. Wie schön wäre es, wenn zum Beispiel amnesty international auch die von Malern und Musikern, Publizisten und Pointen-schleuderern geistig mißhandelten Politiker unter ihre Fittiche nehmen würde.

Ich fordere für Politiker Rothaut-Reservate - natürlich können auch Andersfarbige dort Schutz suchen -wo sie, wie die Indianer in Amerika, die Kurden in der Türkei oder die Zigeuner in der Slowakei - frei und ungestüm ihrem Leiblingshobby, dem Schmutzkübelspiel, nachgehen können.

So lang blutrünstige Künstler unschuldige Politiker verfolgen, bleibt dieser Aufruf auf Abruf aufrecht und aktuell. Wenn ich schon für mein selbstloses Vorhaben mit keinem Friedens-Nobelpreis rechnen kann, wie wäre es mit einem alternativen?

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