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Entschluß in letzter Einsamkeit

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Aber die Aehnlichkeit ist äußerlich, tiefe Veränderungen sind in Stauffenberg inzwischen vorgegangen, für die die im afrikanischen Feldzug erlittenen Verwundungen irgendwie sinnbildlich erscheinen. Stauffenberg hatte um diese Zeit den leisen Schritt der vom Tode Gezeichneten. Er hatte seinen Umgang eingeschränkt, ließ wenig Spuren zurück.

Der innere Kampf: ob der Uebergang zum Rechtsstaat mit dem Tyrannentod bezahlt werden darf und ob der Tyrannenmord überhaupt mit dem Sittengesetz zu vereinen ist und ob des weiteren in irgendeiner menschlichen und gesellschaftlichen Notlage ohnegleichen der Eid seinen absoluten Charakter verliert, mußte allein ausgekämpft werden. Entschlüsse von dieser Größe werden »stets in der dünnen, eisigen Höhenluft großer Einsamkeit gefaßt. Im Falle Stauffenbergs war es nicht die Einsamkeit des Hochmuts. Wir wissen, daß er kurz vorher den Bischof Graf P r e y s i n g aufgesucht hatte — das Geheimnis um dieses Gespräch hat der Kirchenfürst mit sich ins Grab genommen.

Eine andere Aussage weist darauf hin, daß Stauffenberg vor dem Furchtbaren gebeichtet und kommuniziert hat. Dies ist bemerkenswert, denn er war bis dahin für alle, die ihn kannten, der Typus des noch traditionsgebundenen, aber nicht mehr ausübenden Katholiken. Er achtete wohl darauf, daß seine Kinder im alten Geist erzogen wurden (dem Grafen Schwerin-Krosigk blieb es vorbehalten, in seinem Erinnerungswerk „Es geschah in Deutschland“ den üblen Unsinn von einer nationalsozialistischen Erziehung der Kinder aufzutischen, obwohl der älteste Bub beim Tode des Vaters erst zehn Jahre alt war und durch ärztliches Attest von der Jugendorganisation der Partei ferngehalten wurde), er erschien auch zu gewissen Anlässen demonstrativ in Wehrmachtsuniform in der Kirche — Lautlingen, die württembergsche Heimat ist eine katholische Enklave in einem sonst protestantischen Gebiet, wo solches Beharren angeboren sein mag —, aber eine innigere Anteilnahme an dem religiösen Leben läßt sich nicht verzeichnen.

Hier hat also, knapp vor dem großen Geschehen, das ihn außerhalb des Gesetzes und über die gegebene irdische Autorität stellen mußte, eine schon vom Abschied umweht» Heimkehr in die Autorität der Kindheit und die religiösen Gesetze der Vorfahren stattgefunden.

Der Chronist aber stößt hier nicht zum erstenmal auf jenen seltsamen Widerspruch, “daß nämlich die Männer des 20. Juli, die Eidbrecher also, durchwegs religiös waren, 'während ihre Gegner in Armee, Staat und Soldatenbünden oft religiös indifferent oder religiös sind. Hält man sich den Charakter des Eides, das Gott-zum-Zeugen-Anrufen vor Augen, so ist dieser Kontrast einfach unerklärlich, es sei denn, man nehme an, daß ihm letzthin ein tiefes, aber auflösbares Mißverständnis zugrunde liegt.

(Die Veröffentlichung wird fortgesetzt)

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