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Im Gedenken an Saint-Exupery

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PASSION UND TOD SAINT- (CPeRYS. V 011 Jules Roy. Mit einem Vorwort von Jean-Claude Brlaville. Deutsch von Oswalt von Nostltf. Verlag Jakob Hegner, Köln und Ölten. 14 Selten.

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PASSION UND TOD SAINT- (CPeRYS. V 011 Jules Roy. Mit einem Vorwort von Jean-Claude Brlaville. Deutsch von Oswalt von Nostltf. Verlag Jakob Hegner, Köln und Ölten. 14 Selten.

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Mit seiner Widmung „Für Albert Camus“ hat Jules Roy in diesem Buch sein Urteil über den Fliegertod Saint-Exuperys, bewußt oder unbewußt, auf die kürzeste Formel gebracht. In der „Pestzeit“ des Krieges, im Dauerzustand der Katastrophe, hatte der berühmte französische Dichter im Sinne der Existentialphilosophie Camus' sich menschlich bewährt. Indem er bis zum Tode kämpfte, hatte er sich menschlich anständig verhalfen und so den höchsten Anforderungen, die die Zeit stellte, entsprochen.

Aber der Schöpfer der „Stadt in der Wüste“, der mit diesem nachgelassenen Werk als Überwinder der absurden Gedankenwelt bezeichnet zu werden verdient, war trotz der von ihm überlieferten, die Zukunft scheinbar vorausahnenden Worte: „Es ist mir völlig gleich, ob ich im Krieg falle“, dennoch ganz gewiß weder ein Selbstmörder noch ein bloßer selbstmörderischer Draufgänger. Sein Tod, der wie kaum ein zweiter im üblichen Sinne ein Heldentod war und als solcher unsere grenzenlose Bewunderung verdient — nur noch Hermann Löns hat, schon 49 Jahre alt, mit gleicher Hartnäckigkeit 30 Jahre zuvor darauf bestanden, bei der kämpfenden Truppe zu bleiben, wo er im zweiten Krtegsmonat gefallen ist —, war, zwei Jahre nach der'Konzeption des „absurden Helden“ durch Camus, das Ergebnis der Philosophie des „tätigen Fatalismus“, wenn diese Philosophie wirklich ernst genommen wurde. Wir können aber nicht mit Brisville, der das Vorwort schreibt, glauben, daß dieser Schriftsteller, der seine Manuskripte zehnmal umschrieb, ehe er sie drucken ließ, der also für Nuancen lebte, auch für Nuancen gestorben ist. Die Idee eines solchen Rittertums, das nach der Meinung Brisvilles der Weltanschauung des Dichters entsprach, gehört mit zur typisch westlichen Auffassung vom geistigen Menschen, der nach ihr immer Denker und Täter zugleich sein soll. Diesem Denken, in dessen Kern die faustische Tat steht, ist bei uns seit je rücksichtslos das beste Blut geopfert worden.

Man sollte bei Pearl S. Buck, der Kennerin chinesischer Lebenshaltung nachlesen, wie dort das Denken über jede Tat gestellt wird, und sich von Ortega belehren lassen (Gespräche beim Golf), daß man nur entweder leben, das ist tätig sein, oder denken kann, um zu begreifen, daß hier ein großer Mensch von der Gesellschaft geopfert wurde, die nun dem Toten bereitwillig die Ehre gibt, die sie dem Lebenden schuldig blieb.

Dabei war es nicht hauptsächlich Neid, der sie davon abhielt, sondern die innere Gespaltenheit dieses Menschen Exupery, der, selbst am Un-genügen seiner doppelten Aufgabe gegenüber der Gesellschaft leidend, sich durch eben diese Gespaltenheit deren Liebe verscherzte und an diesem Schicksal zerbrach. Gewiß war die Luft, das Leben im Flugzeug der ihm gemäße Stoff, aber es hätte genügt, ihn der Menschheit zu erobern, darin zu sterben war zuviel. Vielleicht erweist sich hier so recht die Unfähigkeit des westlichen Menschen, eine Wirklichkeitsphilosophie ganz zu begreifen, das heißt auch zu leben, wie sie sich ihm in der. Philosophie des Existentialismus darbietet. Und darum wohl ist Saint-Exupery auch „kein Philosoph“ gewesen, darum wurde Brisville auch „durch die Ungeschicklichkeit seines Ausdrucks, durch die tiefe innere Übereinstimmung zwischen seinem schwerfälligen Körper und seiner unbeholfenen Denkweise bewegt und wahrhaft belehrt“. Darum gaben auch die Lehrer des Französischen dem Aufnahmebewerber in die Marineschule die Note fünf und haben damit bekannt, daß sie am „Jonglieren mit Worten doch noch nicht genug hatten, noch es zur Genüge kannten, um es von den Worten derer zu unterscheiden, die sie „aus dem hochherzigen Bedürfnis aus sich schöpfen, dem Menschen ein Wort zu sagen, das ihm helfen könnte, sein Leben zu meistern“.

Möge der Aufklärungsflieger Saint-Exupery, der am 31. Juli 1944, wahrscheinlich in der Nähe von Marseille, ins Meer gestürzt ist, diesen Tod nicht umsonst erlitten haben.

Ein Buch von unerschöpflichem Wert für den, der es denkend liest.

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