6739427-1966_35_10.jpg
Digital In Arbeit

Keine Diskriminierung

Werbung
Werbung
Werbung

Diskussion heißt in ihrem Wesen: Meinung äußern, nicht nur zustimmend, sondern auch gegenteilige. Und Diskussion heißt argumentieren. Es muß also die Stellungnahme etwa von Josef Bauer („Furche“ 32/66) und anderer nicht nur als berechtigt, sondern als grundsätzlich genau so wichtig genommen werden, wie die von P. Alois Schrott SJ.

Es gibt nur eine einzige, wirkliche, wesenhafte und entscheidende Begründung für Verzicht auf Ehe, Nachkommenschaft und Ergänzung: „Um des Himmelreiches willen.“ Alles andere hält nicht Stand, oder ist von sekundärer Bedeutung. Die Kirche tut recht, wenn sie die „evangelischen Räte“ zusammenfaßt. Sie bedeuten den Verzicht auf die irdischen Werte der Ehe und des Besitzes. Dieser Verzicht ist ein Weg. Nicht der Weg und nicht mehr als Weg, nicht mehr als Mittel, als Methode, um Heiligkeit zu erringen. Die Kirche tut recht daran, die „evangelischen Räte“ zusammenzufassen: einen allein, ohne den anderen, ohne also in unserem Fall den Verzicht auf Besitz, das heißt ohne echtes, wirkliches Armsein, kann der Mensch normalerweise kaum einhal- ten.

Es ist wohl kein Zweifel, daß der weitaus größte Teil der Weihekandidaten rückhaltlos und mit bestem Willen den Zölibat auf sich nimmt. Die Frage ist nicht, ob sich der junge Mann der Tragweite seines Entschlusses bewußt ist. Er ist es nämlich mit 23 Jahren so gut, wie mit 30 Jahren! Aber er ist in den meisten Fällen sich nicht im klaren wie dieser Vorsatz, dieser ihm so ernste und heilige Entschluß auch wirklich und immer durchführbar sein wird in seinem Leben. Er ist nämlich durchführbar, er ist nicht unmenschlich, nicht unnatürlich, nicht unmöglich, der Zölibat ist gut und sicher durchführbar.

Die erste Voraussetzung ist die leidenschaftliche, bedingungslose Hingabe an den Herrn! Jeder Mensch muß sich klar sein, daß ein noch so heißer, so entschiedener Entschluß und Vorsatz nur dann verwirklicht werden kann, wenn er tagtäglich, ohne jede Pause ihm treu bleibt. Diese Treue zum Entschluß und seinen Konsequenzen im Alltag, und zwar von früh bis abends ist wesenhaft entscheidend, nicht aber die Einsicht in die Tragweite bei der Übernahme des Zölibates.

Auf zwei Momente hat J. Bauer mit Recht den Finger gelegt; sie müssen dringend beseitigt werden. Wer einmal in ein Priesterseminar eingetreten ist, dem wird es mit moralischen Mitteln sehr schwer gemacht, auszutreten und einen anderen Beruf zu wählen. Ebenso falsch, ja ungerecht und unmoralisch und schließlich auch unzweckmäßig ist die — man möchte sagen — bis ins Mark gehende Diskriminierung austretender und ausgetretener Priester. Sie ist wirklich „mittelalterlich“ und hat mit christlicher Freiheit und Achtung der Persönlichkeit nichts gemein.

Es scheint inkonsequent, wenn der CIC zwar großes Gewicht auf freie Entscheidung vor der Priesterweihe legt, diese dann aber als absolut endgültig ansieht und in späteren Lebenslagen eine freie Entscheidung nicht kennt.

Der Zölibat gehört nicht zum Wesen des Priestertums und nicht zu den wesentlichen Pflichten. Wer ihn „nicht fassen kann“, den — in welcher Lage immer — zu diskriminieren, ist offenbar und zweifelsohne unchristlich.

Die Freiheit der Entscheidung vor und nach der Priesterweihe scheint mir grundsätzlich ein Weg, der ernst zu überlegen ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung