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Kostbare Schätze
Seine heutigen Schätze sind Dokumente, Briefe, Manuskripte, Bilder mit Widmungen. Da ist ein Photo der Anna Pawlowa mit einer herzlich gehaltenen Widmung und dort ein gleich einer Urkunde in kalligraphischer Schrift ausgeführter Erlaß des deutschen Kaisers von 1917, in dem allen Behörden befohlen wird, den Fürsten Jussupoff mit seinen Familienangehörigen ungehindert durch Deutschland reisen und ihm jede Hilfe angedeihen zu lassen.
Er kann stundenlang von der Familie Romanoff berichten, von den Jahren des Glanzes, ehe das Martyrium über sie kam.
Hitler hat während des Krieges änmal mit dem Gedanken gespielt, Jussupoff die Herrschaft über eine wiedererstandene russische Monarchie anzutragen.
Doch Jussupoff lebt nicht der Erinnerung allein. In seinem behaglich eingerichteten Haus, das durch die Fülle der Erinnerungsstücke einem kleinen Museum gleicht, treffen sich oft Schauspieler, Maler und andere „Menschen mit Phantasie“.
Menschen ohne Phantasie wirken auf ihn, wie er sagt, wie lebendige Deichname.
Im übrigen widmet er sich seit »inigen Jahren in selbstloser Weise ier Krankenbehandlung: Er entleckte einmal, daß er einen starken magnetischen Einfluß auf überner-/öse, aus dem seelischen Gleichgewicht geratene Personen hatte.
Die stillen Abendstunden sind der Vorbereitung einer Neuauflage seiner Memoiren gewidmet. Er möchte mit dem gewonnenen Abstand zu den Ereignissen manches hinzufügen und manches Urteil korrigieren. Wir haben ihm bei dieser Arbeit oft Gesellschaft geleistet und ihn, während er in seinen Unterlagen wühlte und neuen Erkenntnissen, die ihm der Lebensabend gebracht hat, Ausdruck gab, beobachtet: Jussupoff hat noch heute warme, faszinierende Augen, die trotz der Altersmüdigkeit ihren magischen Zauber ausüben.
Nun, die dramatische Epoche seines Daseins ist für Jussupoff endgültig vorüber. Früherer Glanz, frühere Stürme sind erloschen und vergangen und ließen ihm nur noch zwei Maximen zurück, auf die sich sein heutiges Leben stützt: „Liebet einander!“ und „Ich weiß, daß ich nichts weiß.“
Als wir ihn das letzte Mal besuchten, versagte die Klingel an der Tür seines Vorgartens. „Felix!“ riefen wir, um uns bemerkbar' zu machen. Und noch einmal: „Felix!“ Da stand der Fürst aufrecht und schlank im Schlafrock im Türrahmen an der Seite seines alten asthmatischen Mopses „Gyges“ und begrüßte uns mit seinem Lächeln. „Ich habe vorhin lange überlegt, wieso ich mich auf Ihre Besuche und unsere Unterhaltungen jedesmal freue“, sagte er, „und seit diesem Augenblick glaube ich die Lösung des Rätsels zu kennen: Sie sind wahrhaftig der erste Journalist, der noch niemals die Frage an mich gerichtet bat: ,Haben Sie Rasputin wirklich ermordet?'“
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