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Opernraritäten in Rom

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Der künstlerischen Leitung des Operntheaters in Rom kann trptz der heftigen gegen sie gerichteten Angriffe, die zu einer ernsten Krise geführt haben, nicht der Vorwurf gemacht werden, daß das Programm einfallslos gestaltet worden sei. Jedenfalls hatte der Spielplan seit vielen Jahren nicht mehr soviele Neuheiten aufzuweisen wie jetzt. Dafür fehlen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, „Star-Sänger“ und Kassenschlager. Beides wird gleichermaßen kritisiert. Aber niemand will angesichts der katastrophalen Finanzlage der Opernbühnen ein finanzielles Risiko eingehen. Dafür gibt es musikalische Raritäten ohne Zugeständnisse an den Publikums -geschmack, gewissermaßen nach dem Motto: Was kann unter den gegebenen Verhältnissen schon passieren!

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Der künstlerischen Leitung des Operntheaters in Rom kann trptz der heftigen gegen sie gerichteten Angriffe, die zu einer ernsten Krise geführt haben, nicht der Vorwurf gemacht werden, daß das Programm einfallslos gestaltet worden sei. Jedenfalls hatte der Spielplan seit vielen Jahren nicht mehr soviele Neuheiten aufzuweisen wie jetzt. Dafür fehlen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, „Star-Sänger“ und Kassenschlager. Beides wird gleichermaßen kritisiert. Aber niemand will angesichts der katastrophalen Finanzlage der Opernbühnen ein finanzielles Risiko eingehen. Dafür gibt es musikalische Raritäten ohne Zugeständnisse an den Publikums -geschmack, gewissermaßen nach dem Motto: Was kann unter den gegebenen Verhältnissen schon passieren!

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Diesen Umständen ist es zu verdanken, daß Busonis ,ßrautwahl“. in Rom zum erstenmal erschien. Der Komponist gehört zu jenen Propheten, die in ihrem Heimatland so gut wie unbekannt geblieben sind. Gewiß zu Unrecht, denn sein Schaffen brachte manches Neue und wies schon zu Beginn des Jahrhunderts in die Zukunft. Diese „Brautwahl“ sollte einem auch dadurch nähergebracht werden, daß sich die Inszenierung des Stückes mit dem phantastischen Text nach E. T. A. Hoffmann der Formen des modernen Surrealismus bediente. Der ständige Wechsel zwischen realem Geschehen und magischen Erscheinungen, den Busoni auch musikalisch zum Ausdruck zu bringen suchte, verleiht dem Werk besondere Reize. Zu einem Repertoirestück wird es auch weiterhin kaum werden, aber die römische Aufführung in der Inszenierung des Teatro Verdi in Triest, stellte einen dankenswerten Beitrag dar, Busonis Schaffen fast 50 Jahre nach seinem Tode auch in Italien der Vergessenheit zu entreißen. Mit dem liebenswürdigen „Conte Ory“ — 1828 in Paris uraufgeführt — lernte man endlich auch in Rom das fast verschollene vorletzte Bühnenwerk Rossinis kennen, eine komische Oper, der aber im Gegensatz zu anderen heiteren Stucken des „Schwans von Pesaro“ eigentlich der Humor fehlt. Der wenig glückliche Text von Eugene Scribe mag vor allem dafür verantwortlich zu machen sein, daß das bei seinem Erscheinen von vielen berühmten Persönlichkeiten, wie Hans von Bülow und Hector Berlioz begeistert aufgenommene Stück später verschwand. Als Karnevalsscherz aufgefaßt, könnte es auch heute noch erfolgreich bestehen, weil es eine Fülle von spritzigen, einfallsreichen Melodien birgt, die in raffinierten Ensemblekompositionen, Chören und Einzelarien zum Besten gehören, was Rossini geschaffen hat. Der Dirigent Carlo Franci hob die musikalischen Akzente heraus, welche die tragenden Elemente des sonst nicht gerade bedeutenden Theaterstücks bilden. Vor allem hätte der zündenden, perlenden Musik eine ebenso farbenfrohe, heitere Inszenierung entsprechen müssen. So war man versucht, mit der Feldmarschallin des Rosenkavaliers zu sagen: „Das Ganze war halt eine Farce und weiter nichts“ — aber sie bleibt in angenehmer Erinnerung!

Wer es wagt, ein gigantisches Werk wie Dostojewskis Roman „Der Idiot“ in Musik zu setzen, muß sehr kühn und obendrein ein begnadeter Tonschöpfer sein. Luciano Chailly, 1920 in Ferrara geboren, bringt außer einer echten musikalischen Begabung gut fundierte Studien bei Hindemith und in Salzburg mit. Dazu eine reiche Erfahrung als künstlerischer Leiter der Mailänder Scala. Als Komponist schuf er bisher hauptsächlich Kammermusik, Symphonien und eine Reihe kleinerer Opern. Aus den Texten, die er seinen Kompositionen zugrunde legte, erklärte es sich, daß ihn nicht belanglose literarische Texte interessieren, sondern das es ihm um die Behandlung anspruchsvoller geistiger und philosophischer Argumente geht. Dostojewskis „Idiot“ stellt in dieser Hinsicht die schwierigsten psychologischen und künstlerischen Aufgaben. Ob es überhaupt möglich wäre, den Roman in der ganzen Vielfalt seiner Gestalten und Probleme musikalisch auszudeuten, mag grundsätzlich eine offene Frage bleiben. Zweifellos aber boten die dramatischen Spannungen, die vielen Stimmungsmomente und seelischen Erschütterungen sowie die Auseinandersetzungen mit ethischen und religiösen Argumenten einem Komponisten von der Reife Chaillys reichste musikalische Anregungen. So entstand zwar kein Musikdrama, aber ein hochinteressantes Mosaik zur Untermalung der Hauptszenen des monumentalen russischen Romans.

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