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Reden an die Zeitgenossen

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GROSS GOTT. GENOSSE! Von Michael H o r a t- c z u k. Verlag Herder, Wien 1959. 166 Seiten. Preis 34 S.

Ein anzüglicher Titel und ein Vorwort, das aus Guareschis hantiger Feder gespritzt sein könnte: Es sei die Anrede Genosse nicht wörtlich zu nehmen, es sei oft der Zeitgenosse gemeint, und der könne auch liberal, national und „schließlich auch katholisch" sein . . . Immerhin geht das eindringliche Wort doch nach links, wo heute unzweifelhaft Bereitschaft besteht, „hereinzurücken“. Horatczuk meint nun, hier gelte es vor allem, Hemmungen, Schlagworte, Irrtümer aus dem Weg zu räumen — nicht zufällig trägt auch eines der früheren populären Werke des bekannten Jesuiten den Titel „Schlagworte auf dem Seziertisch“. Dies besorgten einfach, humorvoll und gründlich die ersten drei Kapitel. Unmerklich aber gleitet das Büchlein in gedämpftere katechetische Unterweisung über todernste Dinge, wie Geist, Seele uöd Jtftseirs, um schließlich in den großen Schlußkapiteln Gnade — Christus — Kirche den Gipfel der Eindringlichkeit zu erreichen. Der Ton ist immer volkstümlich — trotz des soliden theologischen Unterbaues —, die Vergleiche kommen aus dem politischen und beruflichen Alltag des kleinen Mannes und sind häufiger witzige Hyperbeln als pathetische Symbole. Da und dort scheint uns die Leuchtkraft des Ausdrucks gegenüber früheren Publikationen des Verfassers kaum spürbar nachzudunkeln — Schicksal aller Reihenveröffentlichungen, denen dann vielleicht auch das Urteil der treuesten Leser unrecht tut. Die Originalität dieser modernen Homilie steht nach wie vor außer Zweifel; schwer abzuschätzen freilich, in welchem Ausmaß sie die erreicht, die sie angeht. Doch müßte es grundsätzlich gewagt werden: den Hut zu ziehen, die Hand zu reichen und „Grüß Gott" zu sagen, selbst auf die Gefahr eines rauheren Echos hin.

Dr. Rowan Herle

LEBT SCHNELLER, ZEITGENOSSEN! Von Helmut Holthaus. Zeichnungen von Rudolf S c h a r p. Verlag Josef Knecht-Carolusdruckerei, Frankfurt am Main. 114 Seiten mit neun Zeichnungen von Rudolf Scharp. Preis 5.90 DM.

Wir lobten an früheren Werken des Autors seine Gabe, Schwächen, Torheiten und Wunderlichkeiten des Menschen unserer Zeit kritisch-liebevoll unter die Lupe zu nehmen und beinahe vergessene Tugenden in den Blickfang zu rücken. Das gleiche Anliegen bewegt Holthaus in seinem hier vorliegenden Buch, in dem er die ewige Jagd nach materiellen Werten aufs Korn nimmt, die den Menschen am eigentlichen Leben vorbeigehen läßt, ihn unfähig macht, die kleinen Freuden des Daseins auszukosten, die so oft die eigentlich großen und wesentlichen sind. „Zeitgenossen, es wird Zeit, euch Zeit zu neh-. men . . . Hauptfach in der Schule der Lebenskunst ist Sophrosyne, die Gelassenheit .. ."

Nichts gegen dieses Anliegen. Holthaus trifft mit ihm den Nagel auf den Kopf! Aber die Einfälle, an denen er es demonstriert, wirken allmählich doch etwas dünn und abgestanden. Ein Aufguß gewissermaßen, dem die prickelnde Frische fehlt, die den Leser besonders in „Lohnt es sich?" entzückte. In dem neuen Buch glänzt sie selten auf. Am köstlichsten die Idee, Mondmenschen auf der Erde landen zu lassen, die mit Erstaunen die rückständige Technik feststellen, von der die Erdbewohner so viel hermachen, dann aber verzaubert vor dem Wunder eines Apfelbaums stehen, an dem die Leute auf der Erde achtlos vorübergehen Das ist der alte Holthaus, der, wie immer, nie seine Wirkung verfehlt.

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