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Schreiben heißt leben

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LAUTER LETZTE TAGE. Prosa aus zehn Jahren. Von Friedrich Sieburg. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1961. 386 Seiten. Preis 16.80 DM.

Nach einem neuen Buch von Sieburg greift man immer voll Erwartung, auch wenn es sich, wie diesmal, um eine Sammlung von bereits veröffentlichten Prosastücken handelt. Findet sich darunter doch auch so manches, das seinerzeit in deutschen Zeitschriften erschien, im Gedächtnis nicht so haften blieb und vor allem den österreichischen Lesern entging. Diese Prosaarbeiten will der Autor nicht nur als „Ausdruck eines tätigen Schriftstellerlebens", sondern auch als „Kommentare zur Zeit“ verstanden wissen. Der Leser soll erfahren, daß der Autor auch in den Pausen zwischen seinen umfangreicheren Werken nicht untätig war. „Das Leben ist untrennbar aus Vergangenheit und Gegenwart gemischt, und schreiben heißt leben." Ein für Sieburg sehr charakteristisches Wort!

Die Themen der teils erzählenden, teils betrachtenden Prosastücke sind vielfältig und zeigen die Weltoffenheit, das echte humane Verstehen sowie den klaren, überlegenen Geist des Verfassers. Die Fülle des Lebens, gespiegelt in einem klugen, scharfen und sensiblen Beobachter. Sie- burg erzählt von Begegnungen mit Menschen, Städten und Landschaften: er plaudert über Leser und Bücher, er deutet Stimmungen und Zeiterscheinungen. Wir finden psychologisch feine Betrachtungen, wie etwa „Das Riesenspielzeug“ oder „Fürchtet euch nicht", Gedanken über das Leben auf dem Lande, Reiseerinnerungen an New York. China, Söul und Peking, Impressionen aus München, Wien und Kopenhagen, aber auch einige reizvolle Erzählungen, von denen besonders „Die Flucht der Nymphe Echo“ genannt sei. Bedeutende Menschen der Vergangenheit werden porträtiert, so der Maler Utrillo und die Dichter Zola und Herman Bang. Die Darstellung der letzten Stunden des großen dänischen Dichters Bang, die bereits in einem früheren Band erschien, gehört zu Sieburgs besten Erzählungen. Im letzten Teil des Buches, betitelt „Zustände und Anstände“, hält der Kulturkritiker Sieburg der Gegenwart den Spiegel vor. In glänzend geschriebenen Essays setzt er sich geistvoll-ironisch mit mancherlei Erscheinungen unserer Zeit auseinander. Das Leben in einem Schweizer Luxushotel, die Herrenkleidung, das Bemühen um einen gesellschaftlichen Stil und die Arten des Snobismus — dies alles wird plastisch beschrieben und treffend kommentiert.

Über Sieburgs schriftstellerischen Rang braucht nichts mehr gesagt zu werden. Wer nur seine großen biographischen Werke kennt, kennt ihn nicht ganz. Gerade in seinen kleineren Schriften, wie sie im vorliegenden Buch vereinigt sind, kommt die dichterische Seite seines Wesens klar zum Ausdruck, nicht nur in den eigentlichen Erzählungen, sondern auch in so manchen Schilderungen. Diesen Reichtum an Gestaltungsmitteln werden verständnisvolle Leser zu würdigen wissen.

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