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Eine Stimme im Chor der österreichischen Presse droht zu verstummen. Es ist ein offenes Geheimnis: das „Neue Österreich“ ringt um sein Leben. Wenn auch jene Gerüchte, die die letzte Ausgabe für 15. Jänner voraussagten, erfreulicherweise der Wahrheit nicht entsprachen, so entscheidet sich doch ohne Zweifel in diesen Wochen das Schicksal dieses Blattes, das selbst um vier Tage älter ist als die Zweite Republik.

Wer erinnert sich noch? Als dia Wiener im April 1945 aus den Kellern an das Licht eines neuen Tages stiegen, empfing sie am 23. dieses Monats als erste österreichisch Stimme eine Zeitung, die sich „Neues Österreich“ nannte. Dieser Name war eine Hoffnung — und ein Programm.

Ihm ist dieses Blatt in seiner wechselvollen Geschichte über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg treu geblieben. Ob „Organ der demokratischen Einigung“ oder „Unabhängiges Wiener Tagblatt“ — immer versuchte und versucht man in der Seidengasse das Wachsen neu-alter Barrikaden zwischen den Österreichern zu verhindern und jenen Kräften zu wehren, die dieses Land nicht lieben. Selbstverständlich wird da oder dort einmal danebengehaut — aber, Hand aufs Her, in welcher Redaktion geschieht dies nicht. Mit dem Tag und seinen politischen Moden war man aber nie versucht, koste es, was es koste, Schritt zu halten, und die Tapferkeit wird auch gegenüber dem Freund geübt.

Was war es eigentlich, das das „Neue Österreich“, nachdem es durch viele Jahre allein durch seinen Inseratenteil unangreifbar war, in eine Krise trieb? Die materiellen Ursachen liegen weit zurück. Sie sind in dem kurzsichtigen und alles andere als selbstlosen Beschluß der österreichischen Parteien, die damals noch die Eigentümer waren, zu suchen, mit dem dem „Neuen Österreich“ mit der Erhöhung des Preises der Parteizeitungen ein teurerer Verkaufspreis aufgezwungen wurde. Dieser Bärendienst könnte sich noch spät rächen. Sollte das „Neue Österreich“ wirklich untergehen, so könnte es schon in absehbarer Zeit das eine oder andere „Zentralorgan“ mitziehen ... Die geistigen Wurzeln aber sind in der heute zum guten Ton gehörenden Negligierung jeder Gesinnungspresse zu suchen. Der Platz in der Mitte der politischen Arena ist außerdem der gefährdetste. „Rechts“ oder „Links“ heißt das Feldgeschrei und „Boulevard“ die Parole für das Reüssieren emer Tageszeitung.

Deswegen geht das „Neue Österreich“ seinen schweren Gang. Es ist aber, möchte man fast sagen, ein staatspolitischer Test, ob er fortgesetzt werden kann. Abschied vom „Neuen Österreich“? Es wäre mehr als ein Abschied von einer Zeitung. Es wäre ein Abschied von einer Idee, die dem neuen Österreich Kraft und Mut, Ziel und Richtung gab. Bedarf man ihrer nicht mehr? Ist vielleicht schon das neueste Österreich auf dem Weg?

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