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Un gran segreto

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Erheblich vermehrt, ja. Und das kam so: Unter den noch immer im Kloster weilenden Flüchtlingen waren mir zwei Männer in grauen Uniformen aufgefallen. So sind doch die Wächter in den italienischen Museen und Galerien angezogen, dachte ich. Der eine der beiden schien mir bekannt, ich mußte ihm wohl bei einem meiner vielen Besuche italienischer Kunststätten im Frieden gesehen und sein Gesicht im Gedächtnis behalten haben. Wo mochte er her sein? Und was machte er hier? Ich sprach ihn an.

„Oh si, si conosco il Signore colo-nello.“

Woher er mich kenne? fragte ich weiter.

Aus Pompeji, ich sei doch im Mai dieses Jahres mit einem anderen Colo-nello in Pompeji gewesen, und da habe er uns die Spezialitäten gezeigt.

an, verständigten sich durch Kopfnicken» sahen sich scheu um und flüsterten: „Un gran segreto!“

Ein großes Geheimnis? Stand das vielleicht im Zusammenhang mit etwas, das mir auch die Mönche bis heute verschwiegen? — Trotz des Zutrauens, das sie inzwischen zu mir gefaßt hatten? Denn daß man etwas vor mir verborgen hielt, ahnte, wußte, erfühlte ich ans einzelnen Worten, Wendungen, insbesondere aber aus einer fast unmerklichen, Schweigen gebietenden Geste, die der Abt bei einer Beratung einem der Teilnehmer gegenüber gemacht hatte.

Doch eben die Anwesenheit der beiden Museumsdiener ließ mich dieses so streng gehütete Geheimnis erraten, und bald gestanden mir die beiden alles: ein Kunstschatz von unermeßlichem Wert war es, den sie hier hüteten. Von ihnen und

Er blinzelte mich dabei verschmitzt an. Jetzt erinnerte ich mich.

Was er hier suche? setzte ich meine Fragen fort.

Hilfesuchend blickte er seinen Kameraden an, verlegen blickte dieser zurück. Angebotene Zigaretten, genügende italienische Sprachkenntnisse und ein wenig Freundlichkeit machte die Leute bald vertraulich. Ich erfuhr, daß mein Bekannter aus Neapel stamme und dort Weib und Kind habe. Nun wußte ich, daß Neapel mehrfach bombardiert worden war und daß die Bevölkerung eine panische Angst vor solchen Angriffen hatte.

So meinte ich also, ich fände es doch zu arg, seine Familie in der gefährdeten Stadt zu lassen und sich als Mann in Klosterschutz und Klosterfrieden zu bringen.

Nein, nein, das sei nicht so, versicherte er eifrig. Er zöge es bei weitem vor, bei seinen Angehörigen zu sein, um die er sich sehr sorge, aber er müsse hier sein.

Er sei doch kein Mönch, wandte ich ein. —

Das nicht, er sei dienstlich hier.

Wieso dienstlich? Ob denn hier ein Museum zu bewachen sei? Die beiden blickten einander wieder

P. Emanuel, dem deutschen Mönch aus Beuron, dem ich wegen dieser „Ge- . heimniskrämerei“ freundschaftliche Vorhalte machte, erfuhr ich alle Einzelheiten. Es handle sich, sagten sie mir, um eine von den namhaftesten Galerien Italiens beschickte Kunstausstellung aus Neapel, die nach den ersten Bombardements der Stadt abgebrochen worden sei. Wegen der Kriegswirren seien die einzelnen Kunstwerke nicht an ihre Heimatorte zurückgebracht worden, vielmehr habe man es vorgezogen, sie in ihrer Gesamtheit gut verpackt nach Monte Cassino zu schaffen, wo sie auf Bitte des Staates den Schutz des Klosters genießen. Ich möge, bat P. Emanuel, die Stellungnahme des Abtes verstehen, der über die so ungemein wertvollen Objekte nicht verfügen könne, sich aber andererseits für sie verantwortlich fühle. P. Emanuel ließ durchblicken, daß der Abt sicher aufatmen würde, wenn ich mich der Sache annähme; ich möge doch mit ihm einmal darüber sprechen.

Das geschah denn auch, und der Abt erklärte mir, wie er zu dieser verantwortungsreichen Hüterrolle gekommen war. Die Abtei erhielt vom italienischen Staat eine jährliche Subvention, wofür sie das .Archiv“, das dem Staat und nicht dem Kloster gehörte, zu pflegen und zu bewahren hatte. So war es dem Abt unmöglich, die erbetene Unterbringung der Ausstellung abzulehnen. Wenn ich angesichts der gefährdeten Sicherheitsverhältnisse über die Dinge verfügen wolle, so sei das nicht mehr «eine Sache; ich werde schon das Richtige treffen. Im übrigen seien ja die beiden Museumsdiener zur Bewachung da.

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