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Von Karl V. bis Stalin

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Schicksalsstunden der Weltgeschichte. Die Außenpolitik der Großmächte. Von Paul Sethe. Verlag Heinrich Scheffler, Frankfurt am Main. 324 Seiten mit 12 Karten und 33 Abbildungen auf Tafeln

Wenn der Autor im Vorwort sagt: „Dieses Buch ist von einem politischen Journalisten geschrieben“, so ehrt ihn diese Bescheidenheit, aber sie bedarf einer Richtigstellung. Sethe ist ein ausgezeichneter Kenner der Geschichte Europas, vor dessen Auge die inneren Zusammenhänge klar ausgebreitet liegen. Und er weiß sie dem „eiligen Leser“, für den er schreibt, anschaulich darzustellen. Innerhalb der großen behandelten Zeitspanne von vier Jahrhunderten konnte nicht alles ausführlich geschildert werden — schon der gedrängte Umfang gebot eine Beschränkung auf das Fortwirkende und Wesentliche. Dieses ist aber mit Objektivität und „europäischer“ Gesinnung, ohne die Lichter und Schatten einer freundlichen oder feindlichen Voreingenommenheit dargestellt. Ein Buch dieser Gesinnung soll nicht mit karger Elle gemessen werden; wenn hier einige Einwendungen vorgebracht werden müssen, so handelt es sich keineswegs um irgendwie symptomatische Einzelheiten: Daß Bismarck in den letzten Monaten (vor dem Kriegsausbruch 1866) immer wieder, erwogen habe, „ob es nicht möglich sei, mit Oesterreich zum Ausgleich zu kommen und mit ihm gemeinsam Deutschland zu führen“ (S. 206) wird sich schwerlich erweisen lassen. Bismarck war zu jener Zeit vielmehr in Sorge, der von ihm angestrebte Waffengang könne sich bis zu einem Zeitpunkt hinausschieben, da das mit Italien getroffene befristete Bündnis bereits abgelaufen wäre. Auch daß Bismarck (S. 215) vor 1870 „nie daran gedacht habe“, das Elsaß und Metz zu annektieren, ist zum mindesten in dieser Form nicht richtig.Schon 1867 schrieb Bismarck (Grousset, Schicksalsstunden der Geschichte, S. 327) an seinen Freund Keyserling: „Im Falle eines siegreichen Krieges gegen Frankreich würden wir das Elsaß nehmen“, fügt allerdings das prophetische Wort hinzu: „Doch dann müßten wir dort ständig eine Armee unterhalten, und früher oder später würde Frankreich Bundesgenossen finden. Das könnte furchtbar werden...“ Ob sich schließlich (S. 288) „nie mehr genau bestimmen lassen wird, wie (beim Einmarsch Hitlers) die Volksmehrheit in Oesterreich dachte“ — sei dahingestellt. Uns scheint der militärische Einbruch des damaligen deutschen Heeres Beweis genug.

Von einem „österreichisch-ungarischen Heer“ kann man erst nach dem Ausgleich mit Ungarn vom Jahre 1867 sprechen, nicht aber zur Zeit Kaiser Karls VI. (S. 98). Eine Einschränkung verträgt auch der (S. 84) ganz besonders hervorgehobene Anteil der ungarischen Nation an der Auffüllung der kaiserlichen Heere nach der Befreiung Ungarns von den Türken. Aus welchen Gründen immer dies der Fall gewesen sein mag — die geschichtlichen Tatsachen sprechen eine gegenteilige Sprache, und selbst der historische Appell Maria Theresias auf dem Preßburger Reichstag hatte sehr bescheidene praktische Auswirkungen. Zum Schluß ein leicht auszumerzender Druckfehler: Katharina die Große regierte von 1762 bis 1796 — nicht 1798 (S. 124).

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