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Zur Warnung für Übersetzer und Verleger

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Die Ordensobern. Von L. Colin. Verlag Butzon & Bercker, Kevelaer. 284 Seiten. Preis 9.80DM

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Die Ordensobern. Von L. Colin. Verlag Butzon & Bercker, Kevelaer. 284 Seiten. Preis 9.80DM

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Wenn man dieses schon in acht Sprachen übersetzte Buch des französischen Redemptöristen zu Ende gelesen hat, ist man befriedigt und enttäuscht zugleich. Man möchte auf die letzte Seite schreiben: Inhalt sehr gut, Darstellung befriedigend, Ueber- setzung kaum genügend. Der Autor sagt anschaulich und überzeugend, freimütig und doch taktvoll, wie ein Ordensoberer sein und handeln soll. Hinsichtlich der Darbietung des Stoffes stören die zuweilen recht wortreichen Weitschweifigkeiten, die vielen langatmigen Satzperioden, die überlangen Zitate, der häufige Uebergang vom „man“ zum „er“ oder „wir“ sowie der oft unangebrachte Beginn einer neuen Zeile. Noch klarer sollte gezeigt werden, daß die

Obern vor allem an den Dekalog gebunden sind. Da es männliche und weibliche, priesterliche und nicht- priesterliche Obere gibt, hat nicht alles für alle Obern gleiche Gültigkeit. Aus dem gleichen Grunde sollten alle lateinischen Texte auch deutsch gebracht werden. Statt der vorausgehenden „Zusammenfassung“ sollte innerhalb jedes Kapitels eine klare Disposition im Druck ersichtlich sein. Recht leicht ließen sich viele Wiederholungen vermeiden.

Die Uebersetzung zeigt große Mängel. Neben recht gut übersetzten Seiten finden sich nicht wenige, die besser ungedruckt geblieben wären. Es ist, als ob ein Meister seine Schüler zur Uebersetzungsarbeit herangezogen, aber dabei nicht genügend überwacht hätte. Am verzeihlichsten sind die Mängel in der Terminologie des Ordensrechtes; sie sind im Deutschen zuweilen schwer gut wiederzugeben. Nicht entschuld-

bar sind die sonstigen zahlreichen Uebersetzungs- mängel: unrichtig gebrauchte Worte (vgl. S. 56, 116, 125, 184, 273), zum Beispiel: „diesen an sich selbst halbwegs (statt .fast') Verzweifelnden"; ungebräuchliche Redewendungen (vgl. S. 162, 163, 192, 243), zum Beispiel: „einen Kampf liefern" (statt „führen"); Mängel im Gebrauch der Artikel, Präpositionen und Kasusendungen (vgl. S. 90, 97, 107, 110, 229), zum Beispiel: „bei vorkommendem Niedergang und Unordnung der Fehler"; unmögliche Wortstellungen und Satzverbindungen (vgl. S. 57, 82, 106, 119, 165, 174, 242, 279), zum Beispiel: „Ein junger Ordensmann, dem sein Rektor höchst unsympathisch war, hatte ihm einmal anvertraut, daß er ständig an kalten Füßen leide.“ Selbst falsche Uebersetzungen fehlen nicht, zum Beispiel S. 170: si noa detur et veile facere ... wenn dir nicht verliehen wird, sowohl zu wollen, wie auch zu tun." Dazu kommen öfter unrichtig eingefügte Schaltsätze sowie Mängel der Rechtschreibung, besonders in der Verwendung der Anführungs- und Satzzeichen, endlich nicht wenige Druckfehler. Ein Beispiel von sich häufenden Mängeln ist folgender Satz, der mit neuer Zeile beginnt (S. 136): „Daraus können wir also den Schluß ziehen, daß die Kraft und tatsächliche Wirksamkeit unseres apostolischen Lebens im Verhältnis stehen zu unserer ständigen Vereinigung mit Gott, dem Maße angepaßt sind, nachdem wir ihm wohl-

gefällig sind." Ganz unqualifizierbar sind die Quellenangaben. Sie dürften schon im Original sehr unzulänglich sein, ln der Uebersetzung werden sie unmöglich, zum Beispiel S. 278: (HL Alphons, Oeuvres, Band 11, S. 188. „Avis ä Ia Superieure). Neben den ziemlich einwandfreien Zitaten aus der Bibel, dem Cod. Jur. Can., der Regula Ss. Red- emptoris und der Summa des heiligen Thomas kommen noch gegen 300 Verweise vor, von denen kaum ein Dutzend annehmbar sind. Dazu kommen ein halbes Hundert Zitate ohne jede Quellenangabe. Solche Mängel dürfen nicht Vorkommen, selbst wenn das Buch von einem „kritischen Apparat“ (S. 12) absehen will.

Abschließend darf der Kritiker — trotz allem — den Rat geben: Kaufen und lesen! Obere und Untergebene können daraus lernen, einander nicht unnötig ein Kreuz zu sein. Das Buch gleicht einem Edelstein, nicht gut geschliffen und in einer ganz unwürdigen Fassung. Ein Satz, der sich in eine Anmerkung eingeschlichen hat (S. 159) sollte als

Spruchkarte über dem Schreibtisch jedes Obern hängen. Er stammt vom „unreligiösen“ Machiavelli und lautet: „Alii sciunt facere, sed non audire: sunt boni; alii sciunt audire et facere: sunt optimi; alii nec audire nec facere sciunt: sunt pessimi.“

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