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Wiener Festwochen — zu wenig bekannt!

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Vor uns liegen mehr als ein Dutzend Prospekte von europäischen Festspielen und Festwochen, von Aix-en-Provence bis Helsinki, von Luzern bis München: elegante Blätter und Heftchen von vier oder auch zwölf Seiten. — Daneben eine Broschüre, fast schon ein Büchel: das Programm der Wiener Festwochen 1954. — Das freundliche Blau-Rot-Weiß des Umschlags, das auch von den Plakatwänden leuchtet, ist leider durch eine wenig schöne Kursivschrift und einen Reklamestempel verunziert. Dann schlägt man das Heft auf, blättert, liest — und ist wirklich sehr beeindruckt. — Eine Ueber- fülle von Veranstaltungen:Theater- und

Opernaufführungen, Konzerte, Serenaden und Veranstaltungen an historischen Stätten, dazu Ausstellungen und Kongresse, an jedem einzelnen Tag acht, zehn und mehr, so daß ein einziges Wiener Tagesprogramm genügen würde, andernorts eine respektable Festwoche auszufüllen. Die Frage ist also nicht: Was bietet man seinen Gästen?, sondern: Wie wird man dieser Fülle Meister, wie verteilt und ordnet man den Reichtum ? Darüber zerbrechen sich alljährlich — monatelang, bevor die Festwochen beginnen — ein Kuratorium und ein Programmausschuß den Kopf. Die Alternative Festspiele oder Festwochen wird auch vom heurigen Programm zugunsten der letzteren entschieden:

„Absicht und Ehrgeiz der Wiener Festwochen liegen nicht darin, aus aller Welt zusammengesuchte künstlerische Spitzenleistungen von internationaler Einmaligkeit zu bieten. Nein, Wien will mit der Geste eines noblen Gastgebers zeigen, welchen Reichtum an schöpferischer Kraft, an Kunst- und Kulturschätzen, an Talenten auf allen Gebieten des musischen Lebens es besitzt."

Und dann nehmen wir wieder einen der anderen Festspielprospekte in die Hand: einige Konzerte, fünf oder zehn, entweder ein paar Opernaufführungen oder einige Theaterabende dazu — das ist alles. Aber die Aufmachung, aber die Reklame, die da entfaltet wird! Mit allen Fachzeitschriften und mit den ausländischen Journalen bekommt man die bunten Ankündigungsblätter ins Haus, in allen Reisebüros und sonstigen Werbezentren werden sie einem in die Hand gedrückt, und die Presse der halben Welt wird durch Notizen und Mitteilungen über die bevorstehenden künstlerischen Ereignisse in Atem gehalten und mobilisiert.

Und die Wiener Festwochen, die ein Vielfaches von dem zu bieten haben, womit man andernorts wirbt? Sie sind so gut wie unbekannt. Und das heurige Programmheft wird nicht dazu beitragen, ihren Ruhm ?u verbreiten. Es hat nämlich neben kleinen äußeren Mängeln (dem plumpen Format, der unpassenden Schrift und dem häßlichen Reklameteil) einen anderen, schwerer wiegenden Fehler: es ist viel zu spät erschienen, nämlich erst etwa zehn Tage vor der Eröffnung, die am vergangenen Samstag vor dem Rathaus und am Sonntag vormittag mit einem Schubert- Konzert unter Wilhelm Furtwängler im Musikverein stattfand. Wer mit diesen Dingen zu tun hat, weiß, was das bedeutet. Ein kurzer Prospekt mit allgemeinen Ankündigungen, wie er schon vor längerer Zeit her ausgegeben wurde, genügt keineswegs. Der Fremde, der nach Wien zu kommen beabsichtigt, will genau wissen, was er innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zu sehen und zu hören bekommt. Dem Vernehmen nach ist an dieser Verzögerung nicht die die Festwochen organisierende Stelle schuld, sondern einige der beteiligten Veranstalter, die ihre Programme nicht rechtzeitig fixiert und bekanntgegeben haben. Hier muß also künftig sehr entschieden „vorausgeplant“ werden, hier ergeht ein Appell an den Lokalpatriotismus aller Veranstalter, durch rechtzeitige Vorsorge und Einordnung in das Ganze ähnliche schädigende Verzögerungen der Programmierung zu vermeiden. Zum Schluß aber die Bitte, das Programmheft selbst so hübsch, so übersichtlich und so genau wie nur irgend möglich zu gestalten. Hier ist das Beste eben gut genug und das Teure noch zu billig. Und es dann rechtzeitig in die Welt zu schicken. Denn Wien hat auf künstlerischem Gebiet immer noch mehr zu bieten als irgendeine andere Stadt.

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