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WILLIAM FAULKNER / DER FUNKE, DER NICHT ERLISCHT
Vor einem Jahr ging Hemingway in die andere Welt, nun, am 6. Juli, hat der Tod nach Faulkner gegriffen. Zwei Recken der modernen amerikanischen Literatur, deren Einfluß heute noch kaum abschätzbar ist, Antipoden, grundverschieden im Wesen und in der Schau der Welt, sind nacheinander abgetreten. Hemingway, der dem Dasein, seinem Funkeln und seiner Finsternis, über Kontinente her nachzujagen wußte, hat, unheilbar krank, den letzten Sprung selbst zu tun versucht. Faulkner, der Dichter des amerikanischen Südens, der sich, das Sein von innen erschauend, sein Leben lang kaum von der Stelle rührte, hat ruhig auch seine letzte Stunde erwartet.
William Faulkner, am 25. September 1897 in New Albany in Mississippi als Nachkömmling einer Pflanzerfamilie geboren, die angesehene Offiziere und Regionalpolitiker hervorgebracht hatte, erfuhr als Sohn eines armen Pferdc-verleihers eine harte Kindheit und Jugend. Kampfflieger im ersten Weltkrieg, wurde er über Frankreich zweimal abgeschossen. Nach dem Friedensschluß ermöglichte ihm der Staat Studienjahre an der Universität, die er verließ, um als Gelegenheitsarbeiter durch die Südstaaten zu trampen, die ihm später auch zur inneren Heimat und zum Gleichnis der Welt werden sollten. Als BuchUandlungsgehilfe und Mitarbeiter von Zeitungen brachte er sich schlecht und recht durch bis nach New York, in karger Freizeit mühselig schreibend und schrittweise, tastend und zögernd, den Schriftsteller, den Dichter in sich entdeckend-
Seine Lyrik und seine frühen Romane „Moskitos“ und „Sartoris“
fanden geringe Beachtung, „Schall und Wahn“ aber brachte 1929 den ersten Durchbruch zu literarischem Rang. Nun begann die Serie seiner großen Südstaatenromane, die zumeist in und um Yoknopatawha angesiedelt sind, einer Kleinstadt, von Faulkner zwar erfunden, doch als Südstaatenbild in verdichteter Realität so absolut wahr, daß zahlreiche Leser sich wegen des Fehlens im Atlas entrüstet beschwerten.
„Absalom, Absalom“, „Der Strom“, „Licht im August“, „Wilde Palmen“ und vor allem „Die Wendemarke“, die den Nobelpreis errang, entstanden jetzt. Damit hatte er sich, zeitweise stilistisch etwas von Joyce beeinflußt, doch innerlich rasch zu unverwechselbarer Eigenart durchstoßend, bereits einen festen Platz in der Weltliteratur gesichert. Die Hauptwerke bis zur Gegenwart kamen mit folgenden Titeln: „Griff in den Staub“, „Requiem für eine Nonne“, „Eine Legende“ sowie die Trilogie „Der Weiher“, „Die Stadt“ und „Das Haus“. Damit liegt ein Opus vor, das zu starker Wirkung auch in Europa kam, dessen Geist in zahlreichen Brechungen, facettiert, variiert und verwandelt, den Nährgrund amerikanischen Wesens lieferte — im Spiegel von Faulkners
Werk ebenso aufschlußreich wie faszinierend zurückstrahlend.
Faulkner, leidenschaftlich um Wahrheit ringend, hat nie davor zurückgescheut, auch das Häßliche, das Laster, das Böse bis ins Extrem, bis in seine feinsten Verästelungen hinein zu verfolgen. Das hat ihm — welche Verkennung! — zeitweise den Ruf eines dem Grauen, den Abgründen im Menschen verhafteten Autors eingebracht. Das Gegenteil ist richtig. Faulkner hat nichts anderes getan, als ein Menschenbild, das dem biblischen verzweifelt nahekommt, wiederentdeckt, das Bild des gefallenen Menschen. In diesem Menschen aber, selbst noott im letzten Scheitern in grausigster Verworfenheit, gibt es (das unterscheidet ihn von den modernen Vertretern des Nein und des Nichts), und sei es im Zerrbild, einen Funken, der nicht erlischt, ein Etwas, aus nur durch christliche Tiefenschau begreifbarer Spannung gebildet, das Sinn und Hoffnung dauern läßt. So gelte unser Abschied einem Mann, dem es in einer Zeit großer geistiger Umwälzungen gelang, mutig, redlich und mit scharfem Verstand Menschen und menschliche Verhältnisse zu bannen, in denen wir uns mit unserem innersten Geheimnis wiederentdecken.
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