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„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“

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Dieser utopische Roman des jungen amerikanischen Schriftstellers Ray Bradbury zeichnet das atemberaubende Bild eines Staates, in dem die hochentwickelte Technik und die absolute Normung des Lebens aus dem Menschen eine leere Schablone gemacht haben. Die Staatsgewalt bedient sich zur Erreichung dieses Ziels eines satanischen Mittels: der Verbrennung der Bücher als des Rückhalts der Person, des Hortes menschlichen Daseins. Beatty, der Offizier der Feuerwehr, dem das Vernichtungswerk obliegt, gibt ein furchtbares Bild der Entwicklung, die zu dem beschriebenen Zustand führte:

„Im 20. Jahrhundert wird die Zeit gerafft, Bücher werden gekürzt. Abriß, Ueberblick, Zusammenfassung, das Beste in Bildern. Alles läuft auf das Ueberraschungsmoment, den Knalleffekt hinaus ... Zusammenfassungen von Zusammenfassungen. Zusammenfassungen der Zusammenfassungen von Zusammenfassungen. Politik? Eine Spalte, zwei Sätze, eine Schlagzeile! Und dann, mittendrin, ist plötzlich nichts mehr da. Wirble den Geist des Menschen herum im Betrieb der Verleger, Zwischenhändler, Ansager, daß das Teufelsrad altes überflüssige, zeitvergeudende Denken wegschleudert ,..“

Und später dann:

„Weniger Schule, der Lernzwang gelockert, keine Philosophie mehr, keine Geschichte, keine Sprachen. Der muttersprachliche Unterricht vernachlässigt, schließlich fast ganz aufgehoben. Das Leben drängt, die Berufsarbeit geht vor, an Vergnügungen nachher kein Mangel. Wozu etwas lernen, wenn es genügt, auf den Knopf zu drücken, Schalter zu betätigen, Schrauben anzuziehen? ...

Mehr Sport für jedermann, Jubel, Trubel und Gemeinschaftsgefühl, und man braucht nicht mehr zu denken, wie? Veranstalte und veranstalte und überveranstalte immer mehr sportliche Großveranstaltungen. Immer mehr Bildergeschichten in Buchform, immer mehr Filme. Der Geist nimmt immer weniger auf. Landstraßen verstopft mit Menschenmengen, die irgendwohin fahren, irgendwohin und nirgendwohin. Der Benzinflüchtling. Ganze Ortschaften werden zu Absteigequartieren, die Leute branden heimatlos von Ort zu Ort ...

Wir müssen alte gleich sein. Nicht frei und gleich geboren, wie es in der Verfassung heißt, sondern gleich gemacht. Jeder ein Abklatsch des andern, dann sind alle glücklich, dann gibt es nichts Ueber-ragendes mehr, vor dem man den Kopf einziehen müßte, nichts, wps einen Maßstab abgäbe.. .“

Das also ist die Atmosphäre, in die Bradbury uns führt. Doch gibt es in dieser leergebrannten Welt noch Reste wahren Lebens: das Mädchen Ciarisse, das den Mond sieht und den Tau, das im Regen spazieren geht, dem sein Onkel von den alten Zeiten erzählt und das sich nach diesen Zeiten sehnt. Aber dieses Mädchen wird von den wahnsinnigen Geschwindigkeitsfanatikern ihrer Zeit überfahren. Es gibt auch noch alte Leute, die das lebendige Wirken des Geistes aus eigener Erfahrung kennen; doch sie sind still geworden, aus Angst vor dem Terror, der alle Widerspenstigen verschlingt. Nur einige Alte, frühere Angehörige geistiger Berufe, haben die Stadt verlassen, um im Wald, auf den verlassenen Straßen und verwilderten Bahngeleisen des Landes, die längst überholt sind von neuen technischen Anlagen, um in der Wildnis zu leben und dort auf ihren Augenblick zu warten. Sie bewahren das, was in den Büchern steht, im Kopf auf, um es hinüber-zuretten in die neue Welt, die einmal kommen muß. Ihnen schließt sich der abtrünnige Feuerwehrmann Montag an, den die Bücher, die er verbrennen sollte, in ihren Bann zogen und der erkannt hat, daß einmal Schluß gemacht werden muß mit der Vernichtung. „Irgendwo mußte wieder ein Anfang gemacht werden mit Erhalten und Bewahren, und jemand mußte sich auf die eine oder andere Art damit befassen, mußte erhalten und bewahren, in Büchern, in Archiven, in den Köpfen der Leute, gleichgültig wie, solange nur Sicherheit bestand gegen Motten, Rost und Moder und gegen Menschen mit Streichhölzern. Die Welt war voll Verbrennung jeder Art. Nun galt es schleunigst die Zunft der Asbestweber ins Leben zu rufen.“

Ein weiterer Alpdruck des Buches, daß erst der atomare Vernichtungskrieg in Bradburys utopischem Land die Stunde der Erneuerung bringt. Der Autor beschwört seine furchtbaren Bilder mit der Kraft und Eindringlichkeit der echten Vision — ein Mahnruf in vorletzter Stunde. Ein Mahnruf- an den Menschen, seine Positionen zu verteidigen gegen die Mächte und Kräfte, die sie schon heute bedrohen.

Dr. Anneliese D e m p f

Epoche des Teufels. Von Anton Böhm. Gustav-Killper-Verlag, Stuttgart. 170 Seiten. Preis 4.80 DM.

Diese mit Pathos und Leidenschaft geschriebene Bilanz jüngster Vergangenheit reiht sich Büchern wie Sedlmayers „Verlust der Mitte“ oder den französischen Pamphleten wider die „Zeit des Zornes“ an. Böhm sieht den Teufel am Werk überall, wo die Orgien des Todes, die Schändung durch Grausamkeit, die Idolisierung des Hasses, die antihumane Kunst, die Verfemung der Vernunft, der Kult und die Er niedrigung des Geschlechts in eine vermeinte Erlösung vom Personsein,, in ein Evangelium des Nichts münden. Der Autor kann ja von sich, wie einst Goethe vor Valmy, mit Fug behaupten, er sei „dabei gewesen“; dort und da, als die Affen Gottes an die Vergötzung der Macht, an die Krönung der Lüge, an die Entwesung des Rechtes schritten. Er hat aus schmerzlicher Erfahrung die Lehre, die Ueberzeugung und den Trost gewonnen, daß der „Mensch, Werkzeug und Besessener“, ein schrecklich wahrgewordene Träume träumender Untäter, mit allem „Höllenlärm“ und der „Entfesselung der Maschinenwelt“ zum Trotz, nicht bestehen kann vor der sieghaften göttlichen Macht. „Ohnmacht und Ende des Satansreichs“ erweisen sich gerade dann, wenn es seines Triumphes am sichersten zu sein glaubt.

Deutsch auf fröhliche Art. Dr. Ernst Ehehalts „Fröhliches Deutschbuch“, bearbeitet von Professor Dr. Friedrich W a 11 i s c h. Dipl.-Ing. Rudolf Boh-mann, Industrie- und Fachverlag. Wien-Heidelberg. 192 Seiten. Preis 34 S.

Der Autor hält, was er verspricht: Deutsch auf fröhliche Art. Auf nicht einmal 200 Seiten bietet er eine vollständige Sprachlehre, ohne hohe Gelehrsamkeit, auch für einfache Leute ohne Vorbildung brauchbar: selbstverständliche Dinge sind weggelassen, dafür aber schwierige und zweifelhafte Fragen ausführlich behandelt. Zahlreiche vorzüglich ausgewählte Uebungen und Beispiele sowie witzige Zeichnungen suchen das Gesagte unverlierbar einzuprägen. Ein eigenes Kapitel: „Sprachlehre des täglichen Lebens“ stellt die am häufigsten vorkommenden Fehler eigens zusammen. Auch die so wichtige Rechtschreibung und die Zeichensetzung kommen nicht zu kurz. Sehr wertvoll sind auch die offenbar aus reicher Praxis stammenden, oft recht originellen Anweisungen, wie man Vorträge halten, Aufsätze und Briefe schreiben oder sich um eine Stelle bewerben soll. Während sich nur wenige entschließen können, eine Grammatik systematisch durchzuarbeiten, werden manche sich mit Freude und Nutzen in das „Fröhliche Deutschbuch“ vertiefen.

Dr. Alois B u d e r SJ.

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