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Zwischen Traum und Erwachen

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Der 66jährige Karl May unternimmt mit seiner zweiten Frau Inkognito seine erste Amerikareise. Dabei lernen sie einen jungen Mann kennen – Franz Kafka.

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Der 66jährige Karl May unternimmt mit seiner zweiten Frau Inkognito seine erste Amerikareise. Dabei lernen sie einen jungen Mann kennen – Franz Kafka.

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Aber die Möglichkeit, doch, die Möglichkeit ist es. Dieses Zusammentreffen der zwei (der drei). Man schreibt das Jahr 1908, tmd zwar den 6. September. J)er große Kurfürst‘ ist am Abend des 5. in Bremerhaven ausgelaufen und vdrd am frühen Morgen des 16. in New York sein.“

Aus den theoretischen Möglichkeiten hat Peter Hendsch ein Spiel mit biographischen Fakten, Fiktionen und Interpretationen erstehen lassen, das beim Leser keine Langeweile aufkommen läßt. Das Aufeinandertreffen des „Herrn Franz“ (Kafka) mit Mr. Burton (alias Karl May) ist durch Annäherung (Knechtung durch den strengen Vater) und Kontrast gleich reizvoll. Wie Kafka Karl May erlebt, bekommen wir in Briefen an Max Brod zu lesen.

In dem komödiantischen Spiel, das souverän mit den Erzählebenen zu jongHeren weiß, konumt es nicht nur zu einer spiritistischen Sitzung, die Kafkas Vater zu Wort kommen läßt, sondern auch zu einem gemeinsamen Schreibversuch von May und Kafka, bei dem der Anfang des Romanes „Amerika“ diskutiert wird. Mays Einwand: Hält die Freiheitsstatue nicht eine Fackel in der Hand?

Aber am Schluß landet Kafka daim doch nicht in Amerika, sondern in seinem eigenen Text. Wie Karl Roßmaim muß er zum Zwischendeck hinuntersteigen, um seinen Schirm zu holen. Er ist nämHch das einzige Andenken an seinen Vater. Und Mays warten einstweilen beim Koffer. So siegt Kafkas „Amerika“ und löst, wie einst die romantische Irorue, die Fiktion des Textes auf. Karl May, dessen Fiktion Fakten imaginiert, verschvdndet im Sog von Kafkas Literatur, die aus der suggestiven Kraft der Fiktion lebt, die sich Fakten schafft und einverleibt. Peter Henisch ist eines der interessantesten und sprachhch überzeugendsten Beispiele von Literatur über Literatur gelungen.

Dialogische Theologie

Femirüstische Theologie sorgt für Diskussionen, je nach Standpunkt mit heftigem Für und Wider. Nun wurde der Versuch gewagt, feministische Theologiimen mit mäimlichen Kollegen in einen schriftlichen Dialog zu bringen.

16 Theologen wurden gebeten auf Artikel von 16 feministischen Theologümen zu antworten. Die Themen umfassen fast den gesamten theologischen Fächerkanon. Buntheit und Vielfalt der feministischen Theologie kommen dabei zum Ausdruck – wer sich einlesen möchte, fmdet hier eine gute Gelegenheit. Auch die Beiträge der Maimer, die alle dem Anhegen grundsätzlich positiv begegnen, spiegeln eine große Bandbreite. Manche Maimer zeigen sich gut informiert, andere sitzen alten Vorurteilen auf. Manche verstehen es, feministische Anregungen kritisch imd konstruktiv weiterzuführen, andere hefem eigene Entwürfe ohne erkennbaren Zusammenhang mit dem Artikel der Kollegin.

In allen 32 Artikeln wird dreierlei deuthch: daß eine Integration frauenspezifischer Fächer ebenso notwendig wie noch kaum geleistet ist, daß beide Seiten vieles voneinander lernen können und daß die aktuellen Herausforderungen für Theologie und Kirche nur in gegenseitiger Wertschät-zvmg und Befruchtung bewältigt werden können.

Der vorliegende „Streitversuch“ macht einen vielversprechenden Anfang. Dazu hilft auch sehr das Resümee von EHsabeth Gößmaim, die in vorbildlicher Weise die Beiträge zu sichten imd stellvertretend für ihre Kolleginnen manches zu korrigieren vermag. Auf eine Fortsetzung dieses Gespräches darf man gespannt sein.

VERONIKA PRÜLLER-JAGENTEÜFEL

Explosiv

Die beiden weiblichen Mitglieder der „Ghettoriginal Productions Dance Company“ stehen eindeutig auf verlorenem Posten. Bei dieser geballten Ladung Machismo sind sie schhchtweg abgemeldet: HipHop imd Breakdance sind reine Männersache. Entstanden in den Ghettos von New York und L. A. spiegeln sie den ÜberlebenswiUen der Straßenkids wider: Kampf, Gewalt, exzessiv männhche Selbstdarstellung, Gruppenrituale und eine Überdosis auftrumpfenden Sex-Appeals. Aber zumindest während der knapp zwei Stunden im vor Begeisterung tobenden Messepalast ist Widerstand zwecklos. Zur mitreißenden Musik von Taino Tactics explodiert das Ensemble förmlich vor Vitalität, Power und Lust an der Bewegung. Und immer erzählen die Geschichten vom Kampf – mit der Polizei, zwischen Rivalen um die Gunst eines Mädchens oder eines Mannes mit seinem Schatten. BERNARDA HÖLZL

Magneten

Andrė Heller brachte mit „Magneten“ Vertreter der Zigeunerkultur aus neun Ländern in das Wiener Varietetheater. Jede der neun Grup-

S!n ist ein Ereignis für sicn: as russische Trio „Loyoko“ beispielsweise zaubert in einem Dialog der Geigen schier unglaubliche Töne aus den Instrumenten. Beeindruckend das ungarische Ensemble um den Cymbalvirtuosen Kähnän Balogh. Unumstrittene Kultfigur der Zigeunermusik ist die Roma-Primadonna Esma Redjpova (Mazedonien), die einem mit unvergleichlicher Stimme den kalten Schauer den Rücken hinunterlaufen läßt.

Das fulminante und seit der Wiedereröffnung aufregendste Ronacher-Programm ist täglich bis 10. April zu sehen.

MANUEL REINARTZ

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