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Mussorgsky und Johann Strauß

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Neben der Haupt- und Staatsaktion „Boris Godunow“ steht im Gesamtwerk Mus-sorgskys — einem Lustspiel Shakespeares neben den Königsdramen vergleichbar — die komische Oper in zwei Akten „Der Jahrmarkt von Sorotschlntzi“. Die Handlung folgt einer Novelle Gogols, der, 30 Jahre älter alsMussorgsky, seinem Heimatdorf Sorotschlntzi ein liebevolles Denkmal setzte. Milieu und Sujet der Mussorgsky-Oper fordern zum Vergleich mit der „Verkauften Braut“ heraus. Uber die geniale Begabung und die in fast jedem Takt spürbare Originalität Mussorgskys ist kein Wort zu verlieren; doch wird auch hier der Gesamteindruck durch die mosaikartige Fügung der einzelnen „Nummern“ herabgemindert. Musikalisch umspannt das Werk die wichtigsten Phasen der neuen Musik: vom frühen Debussy, dessen „Printemps“ im Vorspiel anklingt, über Strawinsky, der ein wichtiges Thema des ersten Aktes in den „Sacre du Printemps“ übernahm, bis zu Carl Orff mit seinen stereotypen rhythmischen Wort- und Silbenwiederholungen. So erscheint Mussorgsky als einer der Väter der europäischen Moderne. Trotzdem ist er Urrusse. Das müßte bei einer Aufführung stärker zum Ausdruck kommen, als es in der Premiere der Volksoper geschehen ist. Die allzu farbigen Trachten passen eher für eine Balkanoperette, und auch die Spielweise, insbesondere der Hauptdarstellerin, war eher ungarisch als russisch. Josef Witt führte Regie. — Mit bescheidenen Mitteln hatte Stephan Hlawa ansprechende Bühnenbilder geschaffen, in deren Rahmen sich freilich einige recht unwahrscheinliche Szenen abspielten. Bescheiden waren auch die für die Hauptrollen eingesetzten Kräfte, so daß der Gesamteindruck wenig festlich war. Leben und Bewegung kam lediglich durch das Ballett herein, dessen Leiterin, Erika Hanka, immer öfter zur Retterin mittelmäßiger musikalischer Darbietungen wird. Bei diesem Stand der Dinge muß auch auf die Gefahr des Ab-gleitens in einen Stil hingewiesen werden, dessen Name bereits besagt, daß für seine Verwirklichung mehr optische als akustische Mittel eingesetzt werden. — Dieses Werk, das Mussorgsky unvollendet in Form einer Klavierskizze hinterließ, hat mehrere Bearbeiter gefunden. Der Freund des Komponisten, Cesar Cui, war der erste-, ihm folgte Alexander Tscherepnin 1923 mit einer neuen Fassung und Instrumentierung. Die symphonische Dichtung „Eine Nacht auf dem kahlen Berge“, als symphonisches Intermezzo zwischen dem 1. und 2. Akt gedacht, wurde von Rymski-Korsakow instrumentiert und, als nicht obligate Verwandlungsmusik, zwischen das 2. und 3. Bild eingeschoben. Übrigens eine bravouröse Solodarbietung des Orchesters unter der temperamentvollen Leitung von Janos Ferencsik.

Kurz vor Schluß der Spielzeit gab es auch noch eine neuinszenierte „Fledermaus“, die von der Tagespresse bereits so lebhaft gefeiert wurde, daß uns nur übrigbleibt, den Wunschi beizufügen, daß sich dieser ungewöhnliche Aufwand bezahlt machen möge ... Ein ganz gutes Gefühl wird man bei dieser Prunkinszenierung auch dann nicht haben können, falls sich die neue „Fledermaus“ als Dauererfolg bewähren sollte; denn zu viele Versprechen blieben uneingelöst, zu viele gute neue Werke, darunter auch des leichteren Genres, blieben unaufgeführt, trotzdem deren Inszenierung nur einen Bruchteil der Gala-„Fledermaus“ gekostet hätten... In Verantwortung und Verdienst dieser Inszenierung teilen sich: O. F. Schuh, Antori Paulik, Erika Hanka und Walter Hoeßlin. Von den Hauptdarstellern seien Fred Liewehr als Eisenstein und Hilde Güden als Rosalinde hervorgehoben. Was Karl Skraup als Frosch improvisierte (von den unverwüstlichen „Großen Vier“ bis zu den letzten „Aktualitäten“), war so abgebraucht und verstaubt, daß man sich mit Sehnsucht die Scherzchen von 1875 herbeiwünschte, über die unsere Großväter gelacht haben mögen ...

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