„Der Raub der Sabinerinnen“: Gegen den Strich gebürstet
Mit Lust am Spiel, der richtigen Balance zwischen komödiantischem Feinsinn und schriller Überzeichnung und einer Inszenierung, die Gesellschaftsnormen umkehrt, überzeugt „Der Raub der Sabinerinnen“ in der Regie von Anita Vulesica im Akademietheater.
Mit Lust am Spiel, der richtigen Balance zwischen komödiantischem Feinsinn und schriller Überzeichnung und einer Inszenierung, die Gesellschaftsnormen umkehrt, überzeugt „Der Raub der Sabinerinnen“ in der Regie von Anita Vulesica im Akademietheater.
Schwere Zeiten verlangen nach leichter (Theater-)Kost: Das mag ein Allgemeinplatz sein, doch ist die Lust am Lustspiel in dieser Theatersaison unübersehbar. Komödiantisches, Fantasievolles und Heiteres beherrschen derzeit die Wiener Bühnen und finden großen Anklang bei einem Publikum, das erst langsam wieder in die Theaterhäuser zurückkehrt. Am Burgtheater konnten zuletzt Herbert Fritsch (mit Ferdinand Raimunds „Die gefesselte Phantasie“), Tina Lanik (mit William Shakespeares „Wie es euch gefällt“) und Rieke Süßkow (mit Peter Handkes „Zwiegespräch“ im Akademietheater) durch leichtfüßige Inszenierungen reüssieren. Ebenso beschwingt und humorvoll gibt sich nun die jüngste Premiere von „Der Raub der Sabinerinnen“ am Akademietheater.
Der absurde Schwank in vier Akten aus dem Jahr 1883 zählte lange Zeit zu den meistgespielten Stücken, wurde vielfach verfilmt und als Musical adaptiert. In der Regie der Nestroypreisträgerin Anita Vulesica knüpft der Bühnenklassiker des österreichischen Brüderpaars Franz und Paul von Schönthan mit seinem grandiosen Dialogwitz und verschmitzten Verwechslungsgeschichten an die Blütezeit deutschsprachiger Komödien an. Mit seinen gegen den Strich gebürsteten Gesellschaftsnormen und absurden Slapstickeinlagen erinnert Vulesica aber auch an Filmarbeiten der Farrelly-Brüder, deren US-Blockbuster wie „Verrückt nach Mary“ oder „Dumm und Dümmer“ ebenfalls keinen derben Gag auslassen und doch auf liebevolle Weise den magischen Zauber leichter Unterhaltung versprühen.
Renaissance eines Bühnenklassikers
Star des Abends über die Nöte einer maroden Wandertheatertruppe, die für reichlich Wirbel in einer kleinstädtischen Familie sorgt, ist Birgit Minichmayr als formidabler Theaterdirektor Emanuel Striese. Minichmayr (zuletzt mit dem deutschen Shakespeare-Preis ausgezeichnet) gibt einen clownesken Theatermann mit Bart und Hut, der irgendwo zwischen bayrischem Kleinganoven und Wiener Jesse-James-Verschnitt angesiedelt ist. Mit Verve überredet sie den verklemmten Professor Gollwitz (Sabine Haupt), ihr sein Theaterstück „Der Raub der Sabinerinnen“ zu überlassen. Ein heikles Unterfangen, ist doch die Dame des Hauses, Friederike (einfach wunderbar: Dietmar König im schimmernden Outfit), eine ausgewiesene Theaterhasserin. Zum Glück weilt die Ehefrau jedoch gerade auf Urlaub am Wolfgangsee oder vielleicht mit „Wolfgang am See“, wie einige diesbezügliche Versprecher nahelegen.
Wild gemischt sind nicht nur Kostüme und Handlung, sondern die gesamte Bühnenausstattung (Henrike Engel): Von vergilbtem Löwinger-Bühnen-Charme über heruntergekommenen Broadwayglitzer bis hin zu einer blinkenden Kinoleuchtreklame (mit der Aufschrift „Today Death and Glory. The Empress her Daughters“) ist an Deko alles dabei, und selbst der goldene Volantbühnenvorhang fehlt nicht. Vor diesem lugen gleich zu Beginn die Schauspieler der „Striese und Striese Company“ schamgebeugt hervor und beweinen von schrillen Pfiffen begleitet bitterlich die bevorstehende Blamage.
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