Ein Bukett entfesselter Kreativität
Der Meister des Lachtheaters Herbert Fritsch inszeniert Ferdinand Raimunds Original-Zauberspiel „Die gefesselte Phantasie“ am Wiener Burgtheater.
Der Meister des Lachtheaters Herbert Fritsch inszeniert Ferdinand Raimunds Original-Zauberspiel „Die gefesselte Phantasie“ am Wiener Burgtheater.
F erdinand Raimund (1790- 1836) war ein labiler Mann mit besonders heiklem Ehrgefühl und verzehrendem Ehrgeiz. Einerseits litt er Zeit seines Lebens sozial unter dem zweifelhaften Ruf seines in den Augen des Bürgertums moralisch fragwürdigen Berufstandes. Andererseits fühlte er sich, als er 1823 selbst Stücke zu schreiben begann, künstlerisch stets zu Höherem berufen. Als Theaterpraktiker an den Wiener Vorstadtbühnen hatte er eine beträchtliche Begabung dafür, seine Stücke aus seiner Bühnenerfahrung heraus für besondere Ausdrucks- und Wirkmöglichkeiten hin zu entwerfen. Damit hatte er zwar immensen Erfolg, wodurch er den seiner Konkurrenten sowohl bei Publikum wie der Presse bei Weitem übertraf. Dennoch reichte ihm der qualitative Unterschied seines volkstümlichen Vorstadttheaters nicht. Ihm ging es darum, die Volkskomödie zu veredeln und gar strebte er für sich das „hohe“ Drama Schillerʼscher Prägung an, das nicht in der Vorstadt, im kleinbürgerlichen Leopoldstheater, sondern im hehren bildungsbürgerlichen Burgtheater gespielt werden sollte. Nun, der jung verstorbene Raimund hat – bedingt durch seine berufliche Mehrgleisigkeit als Darsteller, Regisseur, Autor – nur ein schmales Œuvre hinterlassen, und letztendlich war es ihm nicht vergönnt, ein Versdrama von erhabener Thematik zu verfassen. Ins Burgtheater allerdings haben es seine Stücke post festum trotzdem längst geschafft. Jetzt hat sich der unverwüstliche, man ist in diesem Fall versucht zu sagen – kongeniale Komödienberserker Herbert Fritsch das Stück „Die gefesselte Phantasie“ vorgenommen. Fritsch inszeniert die von Sabrina Zwach auf seine Bedürfnisse hin bearbeitete Fassung mit einem gerissen besetzten und prächtig aufgelegten Ensemble als effektvolles Schau- und Lachtheater, wobei er erst gar nicht versucht, den eben bloß selbstzwecklichen Witz mit tieferer Bedeutung zu grundieren. Denn was zuvor über Raimund gesagt worden ist, gilt so gar nicht für den deutschen Regisseur: Blödelei ist sein Geschäft, virtuoser Jux und Tollerei sind sein Talent, Sinnlosigkeit sein Bekenntnis.
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