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Pole des Menschlichen

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Wenig gespielte Stücke aufzuführen, ist zweifellos dann ein Verdienst, wenn Werte sichtbar werden, die man früher verkannte. Bei dem Lustspiel „Zwei aus Verona“ freilich, das derzeit im Theater in der Josefstadt zu sehen ist, wurde schon vor zweihundert Jahren bezweifelt, daß mehr als einige eingestreute Stellen von Shakespeare stammen. Viel weiter ist man in dieser Frage seither nicht gekommen.

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Wenig gespielte Stücke aufzuführen, ist zweifellos dann ein Verdienst, wenn Werte sichtbar werden, die man früher verkannte. Bei dem Lustspiel „Zwei aus Verona“ freilich, das derzeit im Theater in der Josefstadt zu sehen ist, wurde schon vor zweihundert Jahren bezweifelt, daß mehr als einige eingestreute Stellen von Shakespeare stammen. Viel weiter ist man in dieser Frage seither nicht gekommen.

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Doch gibt es da eine Reihe von Motiven, die im späteren Werk Shakespeares reifer geworden wiederkehren. Hat man es daher als eine flüchtige Arbeit des damals Acht-undzwanzigj ährigen anzusehen, für die er die Erzählung „Diana“ des portugiesischen Dichters Monte-mayor benützte? Jedenfalls ist das ein Stück für Literaturhistoriker. Wer aber keine Motivstudien betreiben will, den läßt dieses Lustspiel, in dem es lediglich darum geht, daß sich drei junge Männer, Valentin, Proteus und Thurio, um die Herzogstochter Silvia bemühen, reichlich gleichgültig.

Oder soll uns Proteus fesseln, der — er trägt den Namen des verwandlungsfähigen Meerdämorts aus dem griechischen Mythos — eine krasse Wandelbarfähigkeit der Gefühle, von Julia weg zu Silvia, von Silvia weg zu Julia zeigt, der überdies seinen Freund Valentin in der niederträchtigsten Weise verrät? Das ist leichtfertig ins Stück gesetzt, ohne daß uns dieser langweilig intrigante Kerl irgend etwas zu bieten hat. Am Schluß verzeiht ihm Valentin fast von einer Zeile zur andern und sieht ihn wieder als „ehrenvoll“ an. Das könnte man nicht einmal einem dramenschreibenden Anfänger durchgehen lassen.

Die bei Shakespeare üblichen Rüpelszenen fehlen nicht. Einige monologische oder monologartige Stellen haben wirklichen Witz, sonst gibt es da Gegacker. Reizvoll wirken Julia und Silvia in ihrer mädchenhaften Scheu, in ihrer sich eberi 'erst“aufschließenden Liebe. Sehr im Gegensatz zu unserer heutigen weiblichen Jugend. In diesen beiden Gestalten zeigt sich ein Dichter. Das rettet aber das Stück nicht, obwohl Manfred Vogel die spAizige Übersetzung von Dorothea Tieck durch seine vorzüglich sprechbare Nachdichtung ersetzt hat, wobei er auch die völlig unbrauchbare Schlußstelle verbesserte, ohne freilich den Bruch beheben zu können.

Edwin Zbonek hat sich als- Regisseur mit ganzer Kraft für dieses

Stück eingesetzt. Vor allem stattete er die Rüpelszenen mit einer Überfülle drolliger Gags aus, so daß die Schwäche mancher Dialogstellen überspielt wird und er damit das Publikum gewinnt. Unter den Darstellern ragt nur Sabine Sinjen als Julia hervor. Sie wirkt durch jungmädchenhafte Anmut. Brigitte Neumeister ist als Silvia mit Abstand zu nennen, Klaus Maria Brandauer gibt dem Valentin lediglich Energie, Ulbert Rueprecht weiß mit der Rolle des Proteus nichts anzufangen. Alfred Böhm und Kurt Sowinetz bewähren sich in den Rüpelszenen. Gespielt wird — Bühnenbild: Roman Weiß — auf einem Bretterpoddum vor verschiebbaren braunen Vorhängen, auf denen die Spielorte graphisch angedeutet sind.

Im Burgtheater gastierte das israelische Nationaltheater „Habimah“, das im ersten Weltkrieg in Moskau gegründet wurde, um das schon im alten Israel wenig gesprochene Hebräisch zu propagieren. Doch sah man nicht die berühmte, von dem Armenier Wachtangow geschaffene Inszenierung des „Dybuk“ von S. An-Sky aus dem Jahr 1922, die das Ensemble noch 1957 in Paris darbot, es gelangten zwei Stücke lebender israelischer Autoren zur Wiedergabe.

Das Schauspiel „Hana Szenes“ von Aharon Meged führt ein tragisches Geschehen vor, das sich am Ende des letzten Kriegs ereignete. Eine junge ungarische Jüdin, die einem Kibbuz angehörte, ihn freiwillig verließ, über eine jugoslawische Partisanengruppe nach Ungarn gelangte, um Juden über die Grenze zu retten, wird gefangen genommen und, da sie den ihr bekannten geheimen Funk-Code nicht verrät, gefoltert, schließlich erschossen. Durch Hanas Mut, durch ihre außerordentliche Standfestigkeit, die keinen Augenblick wankend wird, erweist sich diese Reportage als Verherrlichung israelischen Widerstandes. In vollem Gegensatz dazu führt das israelische Melodrama „Tante Lisa“ von Nissim Aloni ein makaber groteskes Spiel vor, in dem der Tod ständig gegenwärtig ist. Tante Lisa hat die „ganze“ Familie um sich versammelt, die Lebenden und als Gipsfiguren die Toten. Ihr Neffe, den sie liebte, erschlug vor Jahrzehnten ihren Bruder, seinen Vater, er kehrte eben aus Amerika zurück, wo er eingesperrt war, sie selbst erwartet, daß er sie umbringt, doch wird er von Lisas „ewigem Bräutigam“ erschossen. Es geht aber bei diesen Geschehnissen nicht so sehr um das Kriminelle, als um die Umsetzung ins Surrealistische, in etwas steifen schwarzen Humor, Poetisches wird spürbar, allerlei Schnickschnack gibt es. Doch ist der Gesamteindruck bei der Simultanübertragung verwirrend, so daß sich ein Werturteil unter diesen Voraussetzungen nicht abgeben läßt. Treffliches Spiel im ersten Stück unter der Regie von Abraham Asseo, im zweiten unter der Spielleitung des Autors. Hanna Rovina ist eine Darstellerin von außerordentlicher Ausstrahlung, doch ermöglichen weder die Rolle der Mutter Szenes noch der Tante Lisa eine volle Entfaltung ihrer Persönlichkeit. Mariam Zohar bietet als Hana eine beachtliche Leistung. Israel Becker und Nachum Bv.chman, an beiden Abenden eingesetzt, erweisen ihre Wandlungsfähigkeit. Ein schlichtes Bühnenbild schuf Arieh Navon für das Widerstandsstück, bilderbuchartig löste Audrey Bergner das für „Tante Lisa“.

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