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Heiter bis komisch

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Schmierentheater mit hungernden Schauspielern gibt es nicht mehr, heute wird bei den zahlreichen Toürneeunterneh-men erheblich verdient. Dennoch erreicht der Schwank um den Schmierendirektor Emanuel Striese „Der Raub der Sabinerinnen'', den die beiden Wiener Franz und Paul von Schönthan vor mehr als neunzig Jahren schrieben, nach wie vor starke Wirkung, wie die derzeitige Aufführung im Akademietheater zeigt.

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Schmierentheater mit hungernden Schauspielern gibt es nicht mehr, heute wird bei den zahlreichen Toürneeunterneh-men erheblich verdient. Dennoch erreicht der Schwank um den Schmierendirektor Emanuel Striese „Der Raub der Sabinerinnen'', den die beiden Wiener Franz und Paul von Schönthan vor mehr als neunzig Jahren schrieben, nach wie vor starke Wirkung, wie die derzeitige Aufführung im Akademietheater zeigt.

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Wir werden in enge, spießige Familienverhältnisse um den Professor Gollwitz versetzt, dessen jämmerliches Jugendwerk, eben den „Raub der Sabinerinnen“, dieser Striese aufführt, wobei die Vorstellung wegen totalen Mißerfolgs abgebrochen werden muß. Das ist arg von vorgestern. Und dennoch! Striese, der trotz kläglicher Umstände alle Kalamitäten mit Hilfe seiner Frau in Schmierenmanier meistert und dabei die Würde als Theatermann, als Direktor, aufrechterhält, ist eine Gestallt von sehr menschlicher Wirkung. Wir lächeln. Vollends lachen wir über den dauernden raschen Wechsel an drolligen Situationen, der fast an Feydeau gemahnt, nur ist das Komische bei den Schön-thans wienerisch gemütlich, nicht eiskalt, wie bei dem Franzosen.

Unter der leichthändigen Regie von Ernst Haeussermann gibt Paul Hoffmann dem Striese eine Würde, der nun freilich das liebenswert Lächerliche fehlt. Fred Liewehr glaubt man als dem Gollwitz die stets ins Wanken geratene Überlegenheit, als seine Frau übertreibt Alma Seidler — unbegreiflich! — den harten Befehlston. Susi Nicoletti zeichnet das ältliche Dienstmädchen Rosa als Vollnatur. Beachtlich in weiteren Rollen: Elisabeth Orth und Maresa Hörbiger, sowie Johannes Schauer, Ernst Ander und Detlev Eckstein. Das Bühnenbild von Matthias Kralj kennzeichnet die Zeit: Achtzigerjahre. Besonders viel Szenenapplaus.

Schlechte Ehen sind leider theaterwirksamer als gute. Da stellte sich der publikumsbeliebte Israeli Ephraim Kishon die Frage, wie wäre das mit Romeo und Julia geworden, wenn sie — Wegfall des berühmten unglücklichen Zufalls — geheiratet hätten. Für Kishons als „Tragödie mit Musik“ bezeichnetes Stück „Es war die Lerche“, das derzeit im Theater in der Josefstadt zu sehen ist, gibt das einen wirksamen Absprung. Die beiden können sich nämlich nicht mehr ausstehen, streiten ständig. Auch etwa darüber, ob es seinerzeit die Lerche war, oder die Nachtigall.

Aber dann fällt Kishon kaum mehr viel ein, so läßt er Shakespeare aus dem Grab aufstehen und den beiden Vorwürfe ob ihres Verhaltens machen. Anlaß zu Zitaten aus seinen Stücken. Ja, dieser Shakespeare stellt auch noch — läppisch genug — dem Miststück von romeo-julianischer Tochter nach. Und schließlich vergiften sich die beiden, die sich einst so heiß liebten, gegenseitig. Das ist offenbar der schwarze Humor des Humoristen Kishon. Bei diesem Stück vermag auch Friedrich Torberg, der die deutsche Bühnenfassung besorgte, nicht viel auszurichten. Einige der Lieder von Gerhard Bronner sprechen durchaus an.

Gespielt wird unter der Regie von Heinz Marecek mit komödiantischer Verve und komödiantischem Behagen. Die Besetzung zielt — einzige Möglichkeit — ganz auf drastischen Schwank: Fritz Muliar als feister Romeo und auch als brabbelnder Pater Lorenzo, Elfriede Ott als hantige Julia, freche Tochter und Amme. Gemessenes Pathos von Heinz Moog als Shakespeare. Treffliches Bühnenbild von Gerhard Jan-da: völlig verwahrloster Raum eines Palastes.

Historische Stücke werden kaum mehr geschrieben, wenn überhaupt, dann, um eine Persönlichkeit der Vergangenheit zu verunglimpfen. Stücke, die in Wien spielen, entstehen erst recht nicht. Vor dreieinhalb Jahrzehnten war das noch anders, da verfaßte Friedrich Schreyvogel die Komödie „Die kluge Wienerin“, die, vom Volkstheater für die Wiener Außenbezirke neu inszeniert — Premiere im Haupthaus —, in das Wien der Zeit Marc Aurels führt und eine Huldigung für „die“ Wienerin darstellt.

Die Vindobonenserin Daswina wird die Geliebte des römischen Legaten von Vindobona, erreicht durch Anmut, frische Unmittelbarkeit und Klugheit beim Kaiser die Genehmigung einer von ihr angeregten Gesetzesnovelle zugunsten ihres Lebensgefährten, wobei sie über die Gegnerschaft seiner geschiedenen Gattin, einer herzenskalten, attraktiven Römerin, siegt. Das Wienerische wird dabei unbeschwert ins Vindobonensische integriert und uns liebenswürdig die Überzeugung beigebracht, daß wir Wiener halt immer schon so waren, wie wir sind. Insbesondere der weibliche Teil. Bis zu Topfenstrudel und Beinfleisch. Noch wird Wien nicht verlästert wie es bei heutigen Autoren so sehr beliebt ist.

Diese Szenen bietet Jürgen Wilfce als Regisseur schlicht dar. Heidi Pi-cha ist eine recht nette Daswina. Albert Rolant wirkt als Legat glaubhaft, Hans Krassnitzer gibt dem Marc Aurel Würde, den Philosophen glaubt man ihm weniger, Dolores Schmidinger hat als geschiedene Gattin des Legaten zwar Attraktivität, allerdings nicht die einer römischen Gesellschaftsdame. Ludwig Blaha trumpft als vindobonensischer Feuerwehrhauptmann komödiantisch auf. Thomas Moog entwarf das ansprechende Bühnenbild, Maxi Tschunko die zeitnahen Kostüme.

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