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Altrußland und Altindien

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Eine zauberhafte Aufführung im Akademietheater: „Dieser Platono w”„ eine Tragikomödie von Anton Tschechow. Ernst L o- thars Einführung zu diesem, erst im Nachlaß des großen russischen Dichters gefundenen Jugendiwerk des Medizinstudenten im Programmheft ist ebenso lesenswert wie seine Regie sehenswert ist. Hier ist jener schwebende Zauber des großen Theaters, der durch keine andere Kunst und schon gar nicht durch die platten Künste unseres Tages, wie sie der Film, das Fernsehen und andere Shows produzieren und fördern, erreichbar ist. — „Dieser Platonow” enthält in seinem Schoß die Motive für ein Dutzend Dramen, Novellen, Romane. Eine unvollendete Symphonie, tragisch-heiter, ironisch-ernst, tief durch die Darstellung eines Dutzend oberflächlicher Menschen in dem kleinen Dorf Woinitzewska um 1890. Handlung: Um den Dorfschulmeister Platonow, der sich einbilden möchte, ein kleiner Platon, Don Juan, Schöngeist, starker Mann und ein „besserer Mensch” zu sein, zumindest eine Raupe im Stadium der Verpuppung, aus der ein schimmernder Falter aufsteigen wird, balgen sich die Frauen dieses Dorfes. Die Damen der Gesellschaft, die sich langweilen, mit und ohne ihre Männer. Im Trunk glaubt Platonow bisweilen, ein großer Bösewicht, ein gefallener Engel, auf jeden Fall ein armer Teufel zu sein, der herzliches Mitleid mit sich selbst empfindet. Dieses Selbstmitleid ist jedenfalls sein echtes Gefühl. Eine enttäuschte Frau erschießt ihn, sonst könnte dieses Spiel weitergehen, in unendlichen Fernen sich wiederholen: es wimmelt auch heute noch von Platonows, nur erkennt man sie nicht gleich. Und es gibt nur einen Anton Tschechow, einen Dichter, der mit verschwenderischer Härte und Güte diese halt- und hilflosen Menschen malt: entzückter Staub, der im Wind verweht, vom Dichter aber zum Aufleuchten gebracht wird: kaum eine Figur auf der Bühne dieser Gesellschaft ist nicht erbärmlich, mit Ausnahme vielleicht der Gattin Platonows, Sascha, alle aber sind sehenswert: weil ein großer Dichter sie liebend erschaut. — Josef Meinrad gestaltet diesen Platonow mit großer Zärtlichkeit: gröbere Töne müßten einen unleidlichen, scheußlichen Kerl zeigen. Käthe Gold, als mannstolle Generalswitwe Anna Petrowna, führt, verführerisch, hilflos in ihrer Leidenschaft und überlegen, den Reigen der verliebten Frauen an, in dem ihre Schwiegertochter Sofia (Martha Wallner) und die junge Maria Jefimowa Grekowa (Elisabeth Höbarth) mittanzen. Von den Männern sind zu nennen: Alexander Trojan als verkommener Landarzt, Hanns Ernst Jäger als Geldverleiher, Wilhelm Schmidt als alter Bankier. Die übrigen im Programmheft.

Zum ersten Male wurde in der Burg „Dasirdene Wägelchen”, ein Spiel von Ferdinand Bruckner, aufgeführt. Eine Nachdichtung nach einem indischen Volksstück, das dem König Sudraka im zweiten nachchristlichen Jahrhundert zugeschrieben wird. Bruckner gedachte selbst den „Gastgeber”, König Sudraka, den Kommentator neben der Bühne, zu sprechen. Nun, nach seinem unerwartet frühen Tode, hat Josef Gielen, der auch Regie führt, diese Aufgabe übernommen. Das Thema dieser Legende ist das uralte Motiv von der Verfolgung des Gerechten, von der Treue der Liebenden, vom letzten Sieg des Reinen, der durch die Feuer hindurchgeht. Ganz von ferne winken die Parabeln und Gleichnisse Brechts und anderer moderner Autoren in dieses Märchenspiel hinein, das in schwebender, schwereloser Heiterkeit von der Bitterkeit und Bodenlosigikeit der Welt erzählt. Ganz prächtig, märchenprächtig das Liebespaar, der verarmte Kaufmann Tscharudatta, Fred Liewehr, und Vasantasena, die Bajadere, Judith Holzmeister. Ihnen zur Seite das Liebespaar der Komödie: Gusti Wolf und Peter P. Jost. In der gleißenden, prahlenden Maske des bösen Prinzen: Helmuth Janatsch. ln pittoresken Nebenrollen: Hans Thimig als Bader und Bettelmönch, Johannes Schauer als Henker, Franz Böheim als Ausrufer. Das Bühnenbild Stefan Hlawas und die Kostüme Ernie Knieperts unterstreichen das Fremde und Märchenschöne dieser Legende.

Unsagbar banal das vierjnal seit 1938 aufgewärmte, jetzt als „Musicalette” in der Josefstadt vorgestellte Lustspiel „Kitty und die Weltkonferenz”. Stefan Donat (Julian Poplaw- ski), Kurt Nachmann, Peter Preses und Robert Stolz (als Komponist) betätigen sich an der Montage. Sympathisch einige Schauspieler: Hans Holt als Lord und Handelsminister, Ernst Waldbrunn als Wiener Portier im Schweizer Großhotel, Chari’klia Baxevanos als Manikürfräulein und „Diplomatin” aus Attnang- Puchheim, Luzi Neildecker als Schwyzer Telephonfräulein. Ein Stück für den Hochsommer, im Fasching- ausklang aufgeführt.

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