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Festlicher Shakespeare

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Wenn im Rahmen der offiziellen Shakespeare-Feiern in Stratford-on-Avon auf „Richard II.“ und den beiden Teilen von „Heinrich IV.“ erst im Juni der idealisierte, patriotische „Heinrich V.“ folgt, dann muß man den jüngst im Burgtheater an fünf Abenden hintereinander ablaufenden Zyklus der „Königsdramen“ als besondere Leistung würdigen. Erst in der aufschlußreichen geschichtlichen Kontinuität offenbart sich in den weit über das rein Geschichtliche hinauswirkenden historischen Dramen der stets gleichbleibende „Große Mechanismus“, das Räderwerk der Geschichte, die persönliche Tragik des Menschen unter der Macht. Erst die Gesamtleistung ermöglichte dieses kaum zu vergessende Theatererlebnis, mag auch im einzelnen so manches unzulänglich geblieben sein. Schon den Bühnenbildern von Teo Otto mangelte etwas von der Naivität und Einfachheit der elisabetha-nischen Bühnen. Den beiden Heinrichen fehlte in der Darstellung von Boy Gobert jene wahre Königswürde, deren Anwärter, selbst noch ungekrönt, schon eine, unsichtbare Krone tragen müßte. Garr? zu schweigen vom leidigen Burgtheaterpathos in seiner Umgebung. Aber dann waren da Hans Schömberg als feister, pfiffiger Mannberg von Falstaff und /ose/ Meinrad als überaus köstlicher Fluellen und herrlich gütiger Heinrich VI. und Heinrich Schweiger als das erschreckende Ungeheuer Richard III. und Boy Goberts Monolog am nächtlichen Lagerfeuer in „Heinrich V.“ oder sein geckenhafter Landjunker Iden, der den prachtvoll rüden Rebellen John Cade (Michael Janisch) erledigt, und Annemarie Düringer als überaus anmutige Katharina von Frankreich — um nur einige zu nennen. Und dann war da die gespenstische Rekrutierungsszene in ..Heinrich IV.“ oder die hinreißende Pöbelszene in „Heinrich VI.“ und manches andere. Genug,

genug, um Mängel im Detail vergessen zu lassen.

Einige Tage später gab das Bristol Old Vic, laut Programmheft die führende englische Provinzbühne und ein Ableger des berühmten Londoner Old Vic, ein Gastspiel im Burgtheater mit Shakespeares „Love's Labour's Lost“ (Verlorene Liebesmüh). Dieses mit alten Theatereinfällen in Bewegung gehaltene Lustspiel zählt zu den frühesten Werken Shakespeares und dürfte auf die Vorlage eines damals gefeierten Hofpoeten und Verfassers zierlicher Schäferspiele zurückgehen. Es hält sich ganz an die alte, allgemeine Tradition mit Briefvertauschung, Maskerade und Verwechslung. Drei Jahre lang wollen am Hofe von Navarra der König und drei seiner Höflinge getreu ihrem Enthaltsamkeitsschwur sich nur der Gelehrsamkeit widmen. Aber eine Prinzessin von Frankreich und ihre drei Hofdamen, die in offizieller Mission anreisen, lassen die Kavaliere alsbald eidbrüchig werden. Ein wenig Spott über den schöngeistigen Piatonismus am eli-sabethanischen Hofe klingt durch, aber auch die Skepsis einer ganzen Epoche an der Verbindlichkeit menschlicher Vorsätze. — Das Lustspiel, in dem manche Figur schon auf die Gestalten der reiferen Komödien hinweist, lebt ganz vom Wortwitz, vom spitzen Silbenstechen und von prunkvollen Deklamationen. Das englische Ensemble entfaltete denn auch eine bewundernswerte rhetorische Kunst und sprach die verzwickten Verse auf die natürlichste Art. Ergötzlich die komischen, bis zur Karrikatur gesteigerten Figuren. Alles an dieser Aufführung war klar und selbstverständlich, von dem hübschen, nur wenig stilisierten Bühnenbild über die prachtvollen Kostüme bis zur Regie (Val May), die Auftritte, Gruppierungen und Gesten in beschwingter Ordnung hielt. Großer Beifall.

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