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Das Renaissancetheater unter Maximilian I.

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Eine Seit der prachtliebenden Renaissance Italiens waren die prunkvollen Festspiele und Maskenumzüge, mit denen die herrschenden Fürsten an der Schwelle der Neuzeit dem Geist der wiederbelebten Antike ihren Tribut zollten. Zu diesem Zwecke wurden klassische Fabeln dramatisiert und zu Huldigungsakten an Fürstenhöfen umgestaltet. Orpheus, die Lieblingsgestalt des dichtenden Humanismus, sang mitten in seiner Klage um Eurydike dem Kardinal Gonzaga ein Preislied, Lorenzo de Medici fuhr auf Wagen, geschmückt mit mythologischen Figuren, durch Florenz, und in Maibnd wurde selbst die Kunst Leonardo da Vincis aufgeboten, um am Hofe Lodo-vico Moros die Huldigung der sieben Planeten für die Herzogin in Szene zu setzen. All dies diente letzten Endes nur dazu, eine elegante und prunkliebende Hofgesellschaft zu ergötzen.

Auch auf österreichischem Boden findet sich ein Beispiel ähnlicher Art. Kaiser Maximilian I., jener Herrscher, der, mittelalterliche Ideale mit dem eigenmächtigen Denken des Renaissancemenschen verband, war ganz dazu geschaffen, es in genießerischem Prunk den oberitalienischen Fürsten gleichzutun. Daß er nie dazu kam, einen Renaissancehof im Sinne der Medici oder Sforza zu errichten, ist in seiner machtmäßigen und finanziellen Beschränkung sowie in der Tatsache begründet, daß er keinen festen Hof besaß.

Durch den Nebel der Geschichte blinkt jedoch einmal ein Ereignis, das uns eine Ahnung gibt vom Renaissancetreiben am Hofe dieses Herrschers. Im März des Jahres 1501 hielt Maximilian sein Hoflager in Linz. Seine Gäste waren Massimiliano und Francesco Sforza, die Söhne des Herzogs von Mailand, die nach der Vertreibung und Gefangennahme ihres Vaters durch die Franzosen an den Hof des Kaisers geflüchtet waren. Auch Maximilians zweite Gemahlin, Bianca Maria Sforza, die eine erschütternd einsame Ehe führte, sowie die ganze Hofgesellschaft waren zugegen, und sie alle wollten im Fasching unterhalten werden. Der gefeiertste Humanist in der Umgebung Maximilians war zu jener Zeit Konrad Cel-tis. Aus Ostfranken gebürtig, hatte er ein unstetes Wanderleben hinter sich und in Wien seine zweite Heimat gefunden. Eine ausgedehnte Italienreise hatte ihm Gelegenheit gegeben, sowohl die Bemühungen der römischen Akademie um die Wiederbelebung des Plautus und Terenz als auch die prächtigen Festspiele in Oberitalien kennenzulernen. Ihm wurde die Aufgabe zuteil, in Linz ein renaissancemäßiges Hoffest zu arrangieren, das auch dem verwöhnten Geschmack der Mailänder Gäste gerecht werden sollte.

So wurde am 1. März des Jahres 1501 im Schlosse zu Linz das „Spiel der Diana“ in lateinischer Sprache aufgeführt. Ein höfisches Festspiel ist stets ein Huldigungsakt für den Fürsten. Nicht ungeschickt war also die Schmeichelei des Celtis, wenn Diana selbst mit buntem mythologischem Gefolge dem jagdbesessenen Kaiser ihre Huldigung darbrachte. Lesen wir heute den Text des Spieles, so erscheint es uns hödist primitiv. Von einer dramatischen Gestaltung kann keine Rede sein, denn es fehlen Dialog und Handlung. Das Spiel besteht aus einer höchst willkürlichen Aneinanderreihung mythologischer Bilder, die am Kaiser vorüberziehen und in rhetorischer Weise verschiedenen Wesenszügen des Herrschers schmeicheln. Als Prologus tritt Merkur auf und kündet das Nahen Dianens an, die, vom Kaiser in der Jagdkunst besiegt, ihre In-signien Maximilian zu Füßen legen wolle. Schon naht die Jagdgöttin, von Nymphen und Satyrn umgeben. Während sie dem unübertrefflichen Jäger, der dem Menschen bisher unerreichbare Felsen bestiegen habe — wir denken sofort an die Sage von der Martinswand —, ihr Loblied singt, verlassen sie ihre Begleiter und eilen zum Kaiser, so daß schließlich auch die Göttin ihn als ihren Beherrscher anerkennen muß. Den bunten Reigen setzt der Waldgott Sil-vanus fort. Er preist in Maximilian den Schützer des christlichen Abendlandes gegen die Türken und fordert ihn zur Vernichtung des Islams auf. Einen siegreichen Türkenzug betrachtete Maximilian ja Zeit seines Lebens als seine wesentlichste Aufgabe, die er nie erfüllen konnte. Der „Teuerdank“, seine Bekenntnisdichtung, endigt mit diesem Motiv. Silvan spricht also nur einen Gedanken aus, der zutiefst der des Kaisers war.

Die nächste Figur bringt eine kleine Überrasdiung in das Spiel. Bacchus, umtanzt von Mänaden, rühmt sich, den Wein bh in die österreichische Hauptstadt gebracht zu haben; Wien sei nur ein anderer Name für Wein. Die Orgien, welche die Wiener dem Gott zum Danke feiern, seien von Maximilian huldvollst geduldet, weshalb er des Bacchus Lobgesang verdiene. Etwas unvermittelt stürzt dann der Weingott dem Kaiser zu Füßen und bittet ihn für seine dichterischen Leistungen um den Lorbeerkranz. Der Darsteller des Bacchus war ein junger Kollege des Celtis, der auf diese ungewöhnliche Weise den von den Humanisten hödist begehrten Titel des „poeta laureatus“ erhalten wollte. Das Interessante ist nun, daß der Kaiser, indem er den jungen Dichter krönt, persönlich in das Spiel eingreift, umtanzt und besungen von Nymphen, Satyrn und Mänaden. Das vierte Bild bringt sozusagen den Clown des Spieles: Silen, der ewig betrunkene Begleiter des Bacchus, reitet auf einem krummen Esel an den Zuschauern vorbei, wobei er sich stotternd und mit schwankender Stimme über 6ein störrisches Tier beschwert, das seinen unsicheren Stockschlägen nicht gehorchen will. Ausgesprochene Groteskkomik also, die als Anleihe aus den Fastnachtspielen der Zeit iM werten ist. Das letzte ist ein Gruppenbild aller Figuren unter Anführung der Diana, die dem Herrscherpaar viel Glück und reichen Kindersegen wünscht.

Eine literarische Großtat ist das „Spiel der Diana“ des Konrad Celtis gewiß nicht, ein einzigartiges Ereignis aber ist seine Aufführung innerhalb eines rauschenden Hoffestes. Daß das Stück bei dieser Gelegenheit gespielt wurde, bezeugt Celtis selbst in einem seiner späten Gedichte. Es war Fasching, der Wein floß in Strömen. Auch fehlte es nicht an Gunstbuhlerei um die Person des Kaisers und an schmeichelnden Worter, die nur schlecht die Habsucht verbargen, wie der Humanist verbittert berichtet. Dies alles ist die Atmosphäre des Renaissancehofes, dies ist das Renaissancetreiben mit seiner Pracht und Schmeichelei und seinem Ränkespiel. Berühmte Humanisten und angesehene Staatsmänner Maximuians tauchten in die Maske antiker Göttergestalten — die Namen der Darsteller sind jns überliefert —, um einen Mummenschanz um die Gestalt des Herrschers aufzuführen. Eine besonders eng Verbindung zwischen den Agierenden und den fürstlichen Zuschauern wurde durch die eingeschobene Dichterkrönung erreicht, die den Kaiser deutlich in den Mittelpunkt rückte. Die Lorbeerkrone, die Celtis selbst als erster in Deutschland trug, besaß damals noch ihren hohen Wert.

Sicherlich ging die Hauptwirkung des Spieles vom Bildhaft-Dekorativen aus. Die Verse waren in gekünsteltem Latein abgefaßt und wurden kaum gänzlich verstanden, obwohl von Maximilian bezeugt ist, daß er ein abgezeichnetes Latein sprach. Das Auge mag also vor allem mit sichtlichem Behagen auf Kostüm, Aufmachung und Gestik geruht haben, denn gerade jene Zeit brachte die bunte Vielfalt des antiken Götterhimmels auch in die bildende Kunst. Dazu kamen noch Chor- und Tanzeinlagen, insbesondere an den Aktschlüssen, wodurch das Spiel Operetten- und ballettartige Züge gewann. Dies alles aber ist ungemein charakteristisch für die Vollnatur Maximilians, der sich nidit scheute, auch der Bürgersfrau die Hand 2um Tanze zu reichen.

Nitürlich darf das „Spiel der Diana“ nicht außerhalb der übrigen dramatischen Produktion des Celtis betrachtet werden. Von ihm ist uns noch eine „Rhapsodie“ überliefert, eine Huldigung Maximilians anläßlich eines unbedeutenden Sieges über die Böhmen. In diesem Stück, das im Oktober ües Jahres 1504 in Wien aufgeführt wurde, stellte Celtis die Person des Kaisers selbst auf die Bühne. Maximilian war aber nicht anwesend, da er Kufstein belagerte. Obwohl die „Rhapsodie“ in derselben Art wie das „Spiel der Diana“ verfaßt ist, erreichte sie wohl kaum die Wirkung des ersten Stückes, denn es fehlte ihr das Milieu, näm-lidi die festlich gestimmte, ausgelassene Hofgesellschaft. Wenig originell, war dieses Spie! scheinbar nur noch eine rhetorisch Übung für adelige Schüler.

So erhebt sich die Frage, warum das ..Spiel der Diana“ als Ausdruck des Renais-ancetreibens diesseits der Alpen so vereinzelt dasteht. Dies mag wohl zunächst in dem unsteten Leben Kaiser Maximilian selbst gelegen sein; der Herrscher hatte .nirgends seinen ständigen Hof, er hielt sich bald in Wien und Wiener Neustadt, bald in Innsbruck und Augsburg auf. Sodann ist sidierlich die lateinische Sprache, die in so künstlich verschlungenen Versen kaum zu verstehen war. ebenfalls einer Weiterentwicklung hinderlich gewesen; die Italiener führten ihre Maskenspiele schon lange in der Muttersprache auf. Letzten Endes mag auch die Zeit noch nicht reif gewesen sein. Maximilian starb, die Reformation tobte durch die Länder und der fünfte Karl weilta nidit in Wien. Daß aber gerade auf österreichischem Boden der Maskenscherz höfischer Kreise sich besonderer Beliebtheit erfreute und dort auch die dazu nötige spielerische Veranlagung vorhanden war, zeigt das wunderbare Aufgehen der Saat des Celtis im Barock: am großen Wiener Roßballett des Jahres 1677 nahm die ganze kaiserliche Familie mitspielend teil.

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