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Theaterbrief aus Innsbruck

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Des 50. Todestages Giuseppe Verdis ge-. dachte das Tiroler Landestheater mit einer in den Solopartien gesanglich und darstellerisch, ausgezeichneten Aufführung von „Don Carlos“. Diese in Melodien und Wohllaut gebadete Oper, die zu den besten Verdis gehört, verlangt schöne Stimmen, und großen Gesangstil. Beide Erfordernisse erfüllte das Solistenensemble.

Das sich in Innsbruck besonderer Beliebtheit erfreuende Ballett unter der Führung von Andrei Jerschik erhielt seine Chance durch die Aufführung eines inhaltlich italiani-sierenden ' Balletts „Tarantella“ .von Rudolf K a 11 n i g g. Voran ging ein reizender Ein-akter, „Intermezzo“, von Wolf-Ferrari mit einem echt lustspielhaften Einfall.

Eine nicht leicht zu bewältigende Aufgabe stellte sich das Landestheater mit der Ausführung von Grill parzers „König Otto-, kars Glück und Ende“, dem „Ein Bruderzwist ! in Habsburg während deT „österreichischen Kulturwoche“ vorangegangen war. Dank der intensiven Regiearbeit des allzeit verläßlichen • Otto Burger konnte das Beginnen mit den 1 Mitteln, die einem Landesthe&ter zur Ver-*' fügung stehen, glücken. Der Regisseur holt aus Dichtung und Schauspielern heraus, was nur möglich war. Besondere Anerkennung verdienen die Bewältigung der Massenszenen1 und die psychologische Durchdringung des gesprochenen Wortes.

Allerdings: Gerade die im allgemeinen doch höchst gelungene Aufführung enthüllte“ unbarmherzig die Schwächen dieser Dichtung Grillparzers mit ihren allzu stark aufgesetzten patriotischen Lichtern. So wie das tragische Gesicht Grillparzers den Kampfplatz zwischen Genie und Standes- und berufsmäßig bedingter Kleinlichkeit spiegelt, so weist auch der „Ottokar“ schon in seinem aufdringlich lehrhaften Titel das Nebeneinander von Größe und verheromter Kleinlichkeit auf. Fast alle Szenen mit Rudolf von Hab6burg erinnern an 6einerzeitige, manchmal mißglückte rhetorische Tiraden die eingssüeuten patriotischen Bemerkungen hemmen nicht selten den Fortgang dei dramatischen Handlung, durchbrechen den Bau der Szene. Auch daß ein so großer Schauspieler wie Otto Burg er als ■ Ottokar von Horneck in der berühmten Rede auf Osterreich nicht volle Duichschlagskraft erreichte, liegt an der Dichtung und daran, daß diese Veree inhaltlich einfach nicht mehr zutreffen. Der Regisseur Burger hielt den Schauspieler Burger im Rahmen der Szene zurück, der durch diese Rede offensichtlich zerrissen wird. An sich also ein durchaus richtiger Gedanke des Regisseurs, die künstlerische Einheit der Szene zu wahren, das Lob auf Österreich nicht als „eingelegte Nummer“ die Geschlossenheit der Handlung stören zu lassen. Aber einfach, schlicht und unpathetisch vorgetragen, verliert jener Hymnus jede Wirkung. Er ist eben ein Fremdkörper in der Dichtung. Gerade bei dem Vortrag durch einen ausgezeichneten Sprecher merkte man die sprachlich nur halbe Schönheit der Rede: einzelne Verse prächtig, daneben langatmige Wiederholungen und Holprigkeiten. Nicht minder als die Szene mit Ottokar von Horneck ist die an der Bahre der toten Margarethe von einer für den heutigen Geschmack nahezu unerträglichen, süßlichen Sentimentalität.

Daneben enthält aber der „Ottokar“ einfach grandiose Szenen in Ausmaßen Shakespeares, von letzter stofflicher Raffung und psychologisch tiefer Durchdringung, wie die überbringung der Nachricht von der Wahl Rudolfs, der Dialog Zawisch-Kunigunde im Garten, die Ablegung von Krone und Mantel durch Otlokar nach der Belehnung durch Rudolf, seinen Zusammenbruch und sein kurzes Wiederaufbäumen in Prag. In solchen Szenen übertrifft Grillparzer als Psychologe weit die deutsche Klassik. Aber dann kommen wieder Rückfälle in Plattheiten und konventionelle Charakterzeichnungen. Vielleicht gilt für Grillparzer selbst, was er Matthias im „Bruderzwist“ von der öster-reichiscfi-habsburgischen Tragik 6agen läßt — ob mit Recht oder Unrecht sei hier nicht untersucht —: „Das ist der Fluch von unserm edeln Haus, auf halben Wegen und zu halber Tat mit halben Mitteln zauderhaft zu streben.“ Dazu kommt noch: Der größte österreichische Dramatiker ist Meister in der Schilderung des Niederganges, des Endes (Sappho, Medea, Libussa, Rudolf II.), der steilaufschießende, heldische Optimismus eines Anfangs ist ihm wesensfremd. Datum mußte ihm der Ottokar gelingen und blieb die Gestalt Rudolfs flach, lesebuchartig in ihrer psychologischen Deutung, darum sind die beiden Hälften der Dichtung im Hinblick auf die beiden Hauptpersonen ungleichwertig — ist der „Ottokar“ kein einheitliches, gleichsam nahtloses Kunstwerk.

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