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„Tilman Riemenschneider” in Basel

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Während des zweiten Weltkrieges hat der heute in Salzburg lebende, über 70jährige Komponist Casimir von Päszthory seine Oper „Tilman Riemenschneider” geschrieben. Das Libretto, das sprachlich und dramaturgisch sehr zweifelhaft ist, stammt von Dora v. Päszthory. Die Oper wurde seinerzeit von der Wiener Staatsoper angenommen, dann aber — aus jetzt begreiflichen Gründen — nicht uraufgeführt. Hermann Wedekind, dem Direktor des Basler Stadttheaters, kommt das zweifelhafte Verdienst zu, das Werk in eigener, die Schwächen des Werkes noch unterstreichender Regie, uraufgeführt zu haben. Die im Genre von Festspielen der neunziger Jahre konzipierte, weitgehend statische Oper (7 Bilder) schildert das Leben und die Kämpfe des großen spätgotischen Bildhauers Riemenschneider, hält sich dabei (mit Ausnahme der frei erfundenen Figur der Maria, des Modells für die Gestaltung der Eva) strikte an die historische Ueberlieferung und gestaltet bloß den Schluß insofern frei, als es historisch nicht erwiesen ist, daß der durch Konrad von Thüngen schwer gefolterte Künstler und Magistrat wirklich als gebrochener Mann sein Leben beschlossen hat. In dieser Schlußapotheose, die von Wedekind in geschmacklich zumindest sehr zweifelhafter Weise geboten wurde, wird der Gequälte nach langer Folterung (frei nach „Tosca”) zur Schau gestellt — zu einer Musik, die ein Gemisch von „Rosenkavalier” und „Parsifal” ist. Die geschmacklose Kreuztragung, die mit dem Geschehen weiter nichts zu tun hat, dürfte auf das Schuldkonto des Regisseurs zu verbuchen sein.

Die Musik trägt nirgends eigene Züge, ist ein Sammelsurium aus der ganzen Musikliteratur von Händel bis Strauß. Das Werk beginnt wie „Tiefland’’’, dann’hört man viel Wagner. Puccini; TicHai- Vön Rem Bruckner, und immer wieder Richard Strauß. Die einzelnen Motive sind nicht wirklich musikalisch verarbeitet, sondern bloß additiv aneinandergereiht. Die -Textverständlichkeit wird dadurch erschwert, daß Tuba und Posaunen unentwegt unter Volldampf gesetzt sind. Die mitunter liedertafelnden Chöre singen gelegentlich in unsinnig hoher Lage. Man spricht in Basel — die Presse lehnte das Werk einmütig ab, der Applaus darf als freundlich bezeichnet werden — scherzhafterweise von einer Quiz-Oper.

Die Bühnenbilder des hochbegabten Max Bignens vermochten die Aufführung nicht zu retten, auch nicht die gewandte Leitung von Hans Münch. In der Titelpartie lernte man einen hervorragenden finnischen, perfekt deutsch singenden Bariton, Matti Lehtinen, kennen. Neben ihm brillierte vor allem Montserrat Caballė als Maria. Somit ist dieser „Riemenschneider” ein sehr schwaches Glied in der Reihe der veroperten Künstlerbiographien, die mit den (bei Päszthory immer wieder als Modell durchscheinenden) „Meistersingern” meisterhaft begonnen und in Pfitzners „Palestrina” und Hindemiths „Mathis, der Maler” immerhin sehr respektable Fortsetzer erfahren hat.

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