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30 Jahre Staatsgeheimnis
Zwei Nachkriegsgenerationen von Zeitungslesern muß man den legendären serbischen Kriegshelden, General Draga Mihajlovic, vermutlich erst vorstellen. Bereits in den Balkankriegen von 1908 bis 1909 und von 1913 bis 1914, als Serbien, Griechenland und Bulgarien sich endgültig von der Türkenherrschaft befreien konnten, zeichnete sich der junge serbische Leutnant dermaßen aus, daß er mit der Goldenen Tapferkeitsmedaille bedacht wurde. Seine höhere militärische Ausbildung erhielt er an der Pariser Militärakademie von Saint-Cyr. Zwischen den zwei Weltkriegen war der Generalstabsoffizier Mihajlovic einige Jahre lang Militärattache in Prag.
Als Görings „Blitzkrieg“ gegen das Königreich Jugoslawien, am 7. April 1941 mit vernichtenden Luftangriffen auf Belgrad begann, war Draga Mihajlovic Oberst im Generalstab. Die königliche Armee brach nach zehn Tagen unter den Hammerschlägen der Hitler-Armee zusammen. Der einzige, der nicht kapitulierte, war wieder Mihajlovic, der mit ungefähr 40.000 Soldaten im mittelserbischen Ravna-Gebirge den Kampf „bis zum bitteren Ende“ fortsetzte. Als Tito und seine späteren Trabanten noch unbehelligt in der von deutschen Truppen besetzten Hauptstadt Belgrad herumspazierten — der Moskau-Berlin-Pakt war ja noch in Kraft — kämpften Mihaj-lovi6s Cetniki gegen die Okkupanten weiter.
Der nach Kairo, dann nach London geflüchtete König Peter II. beförderte Mihajlovic unverzüglich zum General und ernannte ihn zum Kriegsminister der jugoslawischen Exilregierung. Lange Zeit erhielt die serbisch-nationalistische Partisanenarmee jede erdenkliche Unterstützung aus London — Gold, Munition und Verpflegung.
Später geriet Mihajlovic zwischen zwei Fronten, weil die westlichen Alliierten, naiv-oberflächlich und schon damals rettungslos unorien-tiert und uninformiert, sich von der Sowjetpropaganda beeinflussen ließen. Auf der Konferenz von Bari, im Juni 1944, wurde Mihajlovid von Winston Churchill höchstpersönlich im Stich gelassen. Mihajlovic wurde aufgefordert, sich und seine Truppen — im Sommer 1944 waren es 600.000 Mann — dem Oberbefehl des damaligen Moskau-Söldners Tito zu unterstellen. General Mihajlovic, ein frommer Prawoslawe und königstreuer Soldat, weigerte sich, weil er der festen Uberzeugung war, daß die Deutschen den Krieg bereits verloren hatten, und daß für das Königreich Jugoslawien der internationale Kommunismus die eigentliche Zukunftsgefahr darstelle. Daraufhin wurde Mihajlovic von London und Washington „bestraft“. Man stellte jegliche Unterstützung für die serbischen Aufständischen ein und lieferte diese damit den sich zurückziehenden Divisionen Hitlers und der siegreichen vorrückenden Roten Armee aus.
General Mihajlovic hätte als vornehmer Emigrant im Westen leben können. Die Amerikaner wollten ihn nach der Machtübernahme der Kommunisten mit einem Flugzeug abtransportieren. Er blieb bei seinem Volk, das ihn ein Jahr lang versteckt hielt. Die UDBA entdeckte ihn schließlich. Nach Folterung und Zermürbung wurde er vor ein „Volksgericht“ gezerrt und schließlich hingerichtet.
Scheinbar gibt es aber doch so etwas wie ein Nationalgewissen. Nicht bei Berufspolitikern, aber In diesem Fall bei den ungefähr 600 amerikanischen Kriegsfliegern, darunter einige heutige Kongreßmänner und Senatoren, die Mihajlovic während des Krieges gerettet hatte, nachdem sie mit dem Fallschirm notgelandet waren. Sie haben jetzt mit ihren Geldspenden ermöglicht, daß ein Mihajlovic-Denkmal in einem öffentlichen Park Washingtons feierlich enthüllt werden konnte.
Erst jetzt stellte sich heraus, daß Präsident Truman Mihajlovic nach seiner Hinrichtung im Jahre 1948 mit der „Legion of Merit“ ausgezeichnet hat. Fast 30 Jahre lang blieb das Staatsgeheimnis!
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