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Digital In Arbeit

Am liebsten: Weltzensur

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In Delhi fand die Konferenz der Massenmedien der Blocklosen statt. Zweck und Ziel war es dabei, einen Presse- und Medienpool der Blocklosen zu bilden. Doch die Konferenz wurde zur Festwoche des Kampfes „gegen den Kultur- und Nachrichtenkolonialismus“. Und zur Journalistenbeschimpfung; zur Beschimpfung der westlichen Journalisten natürlich. Die Massenmedien der Blocklosen wollen sich vom Diktat der großen Agenturen des Westens, von Reuter, AFP, UP, AP befreien; TASS wurde nie und von niemandem genannt. Und bei der Gipfelkonferenz der Blocklosen im August, in Sri Lanka, werden Pressebefreiung und Pressepool der Blocklosen ganz oben auf der Tagesordnung stehen.

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In Delhi fand die Konferenz der Massenmedien der Blocklosen statt. Zweck und Ziel war es dabei, einen Presse- und Medienpool der Blocklosen zu bilden. Doch die Konferenz wurde zur Festwoche des Kampfes „gegen den Kultur- und Nachrichtenkolonialismus“. Und zur Journalistenbeschimpfung; zur Beschimpfung der westlichen Journalisten natürlich. Die Massenmedien der Blocklosen wollen sich vom Diktat der großen Agenturen des Westens, von Reuter, AFP, UP, AP befreien; TASS wurde nie und von niemandem genannt. Und bei der Gipfelkonferenz der Blocklosen im August, in Sri Lanka, werden Pressebefreiung und Pressepool der Blocklosen ganz oben auf der Tagesordnung stehen.

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In Delhi folgte sechs Tage lang Rede auf Rede. Jeder Delegations-führer klagte die Presse des Westens an; sie kritisiere seine Regierung, sein Land, sie arbeite mit unstatthaften Methoden und verbreite unstatthafte Meldungen Alle Vorschläge liefen auf das Ziel hinaus, ein Weltsystem des Schutzes jedes Regimes und jedes Landes gegen Kritik von außen zu schaffen; gegen die Kritik von innen hat sich fast jede der in Delhi vertretenen Regierungen durch Zensurgesetze schon längst zu schützen verstanden.

Fast hundert Delegationen aus bUocklosen Staaten waren gekommen; mehr als 'die Hälfte geführt von Ministem. Aus dem Abschnitt Südasiens konnte man auf die ganze Konferenz schließen: Indien unter dem engmaschigen Maulkorbgesetz der Zensur und überdies noch kontrolliert; Bangladesch unter der Zensur des Militärs, Burma nicht nur zensuriert, sondern mit fast wörtlich vom Presseamt des Präsidenten Ne Win diktierten Nachrichten, nur in Sri Lanka ist noch der Schimmer einer Kritik erlaubt. Ist es da ein Wunder, wenn in den sechs Tagen der Konferenz nicht ein einziger Delegierter über freie Meinungsäußerung, freie Presse sprach? Auf dieser Konferenz der „Befreiung vom Informationskolonialismus“ war die freie Presse ein fremder Begriff.

Unter diesem Redeschwall war es am besten, mit den einzelnen Delegierten selbst zu sprechen, deren Meinungen, nicht deren Deklamationen zu registrieren. Am Tage vor der Konferenz gab Mohamoud Junus, der Sonderbotschafter der indischen Ministerpräsidentin Indira Gandhi, eine Pressekonferenz und damit begann auch schon die Journalistenbeschimpfung. Ich fragte den star-

ken Mann der Indira in der Dritten Welt: „Hat jeder Minister die Vollmacht, für die Massenmedien seines

Landes zu entscheiden? Und auch wirklich für alle Massenmedien?“ „Ja“, war die Antwort

Schon den Saal verlassend fügte Mohamoud Junus hinzu: „Ich habe seit meiner Kindheit nur Lügen in der Presse gelesen. Sie war und ist von den Agenturen des Westens beherrscht.“ Ich fragte: „Und wird das jetat anders werden?“ Die Antwort war wiederum „Ja.“

Gegen Ende der Konferenz konnte ich mit Azal-ul-Huque sprechen; er ist „Spemialberater des Chefadministrators der Militärgerichtsbarkeit für Presse und Information in Bangladesch“, das heißt: Presse und In-formationsminister im Regime des Generals Ziaur Rahman. Der Ostbengale beschrieb das taktische und das strategische Ziel dieser Konferenz und der Konferenzen,, die ihr folgen werden: Offensive der Dritten Welt gegen die Massenmedien und die Agenturen des Westens. Diese sollen in die Defensive gezwungen werden.

Die Blocklosen werden allerdings kaum imstande sein, den geplanten Pressepool zu einem journalistischen Weltfaktor zu machen. Aber sie werden es verstehen, auf dem Weg über den Pressepool und schon bei dessen Vorbereitung die westlichen Agenturen unter ihre Kontrolle zu bringen.

Am Tag, an dem ich mit dem Bengalen sprach, formulierte der Vertreter von Malta auf dem Radnerpo-dium die Aufgabe des Pools: Vergeht sich eine der westlichen Presseagenturen gegen eine Regierung der

Blocklosen ader'der Dritten Welt, so sollen alle Regierungen der blocklosen Staaten den Teppich unter den Füßen wegziehen, und die ganze Presse der Blocklosen muß sofort für die Verbreitung der Meldung in das Forum sorgen, wie sie aus dem Pressepool kommt.

Unmittelbar nach der Konferenz zeigte mir das Gespräch mit einem indischen Journalisten die Anwendung des gegenseitigen Presseschutzsystems in der Praxis, noch bevor es beschlossen worden ist Der Inder kam gerade von der OAU-Tagung. Aus seinen Berichten mußte er jede Kritik und jede Stellungnahme, die einen afrikanischen Staat hätte treffen können, entfernen. Natürlich stand Idi Amin im Mittelpunkt Mit vier Kurtisanen war der Präsident aus Uganda gekommen und als Held Afrikas ließ er sich feiern. Kein Wort darüber kam in die Zeitungen. So schützen sich schon jetzt die Regimes der Dritten Welt gegenseitig.

Das gilt für den Schah von Persien wie für Kim II Sung, für Idi Amin ebenso wie für den König von Marokko.

Nur wenn von ihnen zwei sich in die Haare geraten, kann es geschehen, daß das zukünftilge, Schutzsystem durchbrochen wird. In Delhi verließen die Libyer, wenn die Sudanesen sprachen, und die Sudanesen, wenn die Libyer am Wort waren, den Konferenzsaal.

Sicherlich sind die großen Presseagenturen des Westens multinationale Gesellschaften mit eigenen Interessen und entsprechender Manipulation. Was die Blocklosen ihnen entgegenstellen, ist aber ein System der Weltzensur im Interesse der herrschenden Hierarchien der Dritten Welt. Mit Hilfe des freien Wortes an die Macht gekommen, wollen sie sich jetzt gegen die Gefahr des freien Wortes untereinander verbünden.

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