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Angriffe ins Leere
Es gibt Stücke, die literarischen Ruf besitzen, lernt man sie aber kennen, enttäuschen sie. Dazu gehört die phantastische Komödie „Aus dem Leben der Insekten“ von Josef und Karei Capek, die, vor genau fünfzig Jahren entstanden, im deutschen Sprachraum nur einmal aufgeführt wurde und nun im Theater an der Wien als Festwochendarbietung herauskam.
Es gibt Stücke, die literarischen Ruf besitzen, lernt man sie aber kennen, enttäuschen sie. Dazu gehört die phantastische Komödie „Aus dem Leben der Insekten“ von Josef und Karei Capek, die, vor genau fünfzig Jahren entstanden, im deutschen Sprachraum nur einmal aufgeführt wurde und nun im Theater an der Wien als Festwochendarbietung herauskam.
Ein Landstreicher gerät in das Reich der Insekten und sieht, wie sich die Schmetterlinge flatterhafter Liebe ergeben, die Raubinsekten von Besitzgier getrieben sind, morden, Grausamkeiten begehen, die Ameisen, von ihresgleichen versklavt, aus Eroberungslust „um des Friedens willen“ Kriege führen. Diese Insekten sollen, fordern die Autoren, wie Menschen gekleidet sein, da es sich stets um Menschen mit menschlich-insektenhaften Zügen handle. Wozu dieser Ausflug ins Insektenreich? Durch die Sicht auf den Menschen via Insekt wird nichts gewonnen. Von dem Wissen, daß der homo sapiens flatterhaft, besitzgierig, mord- und kriegslüstern ist, sind wir ohnedies randvoll. Darüber hinaus gibt dieses seichte Stück nichts, die Figuren — einschließlich des reichlich billig „philosophierenden“ Landstreichers — bieten lediglich Gemeinplätze.
Die auffallend aktuell wirkenden politischen Anspielungen stammen von den Autoren, nicht vom Beafbeiter Ulrich Baumgartner, der verdienstvoll einiges von den überquellenden Passagen mit Allerweltsgedanken strich. Und Baumgartners Regie? Nicht sie ist schwach, sondern das Stück. Daß er die kriegerischen Szenen im totalitär-kollektivistischen Ameisenstaat hochtreibt, ist begreiflich, man würde sonst ein- schlafen. Heinz Conrads — schlecht verständlicher Sprecher — schmuggelt soweit als möglich den so sehr beliebten Fernseh-„Heinzi’’ in die Gestalt des Landstreichers. Die zahlreichen sonstigen Mitwirkenden werden der Regiekonzeption gerecht. Heinz Ludwig erstellte mit schlichten Mitteln das Bühnenbild.
Im „Theater der Courage“ ist das Stück eines 35jährigen Oberösterreichers zu sehen: „Spuk“ von Friedrich Ch. Zauner. Zwei vierzehnjährige Mädchen sind eine Nacht lang sich selbst überlassen, ergeben sich einigem Unfug, mancherlei Triebe werden spürbar, spuken in ihnen, mit Wonne wiederholen sie, was sie offenbar oft zu hören bekamen: „So verrückt war noch keine Jugend wie diese.“ Das ist psychologisch gut gesehen, bleibt aber dünn, vermutlich beabsichtigte Kritik wird kaum merkbar. Unter der Regie von Gottfried Schwarz spielen Trixi Daneli und Margaret Bell vortrefflich die beiden Teenager, Eva Petra, Peter Göller, Peter Kudrna sind in weiteren Rollen eingesetzt. In das reizvolle Bühnenbild von Wolfgang
Müller-Karbach ist etwas erhöht der Platz für die Musikanten eingebaut, die sich neckisch „Ötzglümpf AG.“ nennen. Sie turbulieren drauflos, wenn die Mädchen tanzen oder untermalen einzelne Szenen melodramatisch.
Die Ausbeutung der Armen, die in Slums wohnen, war eine verbrecherische Tatsache in hochkapitalistischer Zeit. Bernard Shaw klagte diese Zustände im Jahr 1892 in seiner bitteren Komödie „Die Häuser des Herrn Sartorius“ scharf an. Bei der Premiere kam es zu einer Theaterschlacht und nachher zu heftigen Zeitungsfehden. Was soll aber dieses Stück, das nun im Theater in der Josefsbadt gegeben wird, in einer Stadt, in der das Wohnungselend seit mehr als fünfzig Jahren durch Wohnungsgroßbauten beseitigt wurde? Oder denkt man an die Behausungen für Fremdarbeiter?
Die drei Akte setzen mit einer antiquiert wirkenden Liebesgeschichte ein, der junge Dr. Trench und Blanche, die Tochter des Ausbeuters Sartorius, wollen heiraten, obwohl sie sich eben erst zufällig kennenlemten. Trench hat Hemmungen, als er erfährt, daß jeder Penny ihres Vaters von einem „hungernden Kind“ stammt, aber der Konstrukteur Shaw läßt billig- hohnyoll diesen jungen Hann unwissentlich eben von daher seine Einkünfte beziehen. Ja, Trench macht schließlich bei den Machinationen voh Sartorius und des emporgekommenen ehemaligen Mieteneintreibers Lickcheese mit. Das heißt: Menschlichkeit erweist sich als Attitüde, die sofort zusammenbricht, wenn der persönliche Vorteil im Spiel ist. Das weiß man wohl schon, aber es wird mit Penetranz gezeigt. Es ergibt sich: die Verhältnisse sind zu ändern. Umsturzpropaganda steckt als Sprengstoff noch wohlverpackt in diesem Stück, weit vor Brecht. Aber nochmals: Wozu dies uns?
Die konventionelle Theatermache, die Shaw in diesem seinem ersten Stück unbedenklich einsetzte, rückt Regisseur Werner Kraut verdienstvoll ins Unaufdringliche. Den Sar- rotius spielt Guido Wieland als einen Biedermann, dessen Skrupellosigkeit wie selbstverständlich wirkt. Klaus Windbolz ist ein schlaksig- unfoekümmerter Dr. Trench. In der Gestalt des Cokane gelingt Ernst Stankovski mit subtilen Mitteln überraschend Shawsche Charakterisierung des Engländers. Dem Lickcheese gibt Kurt Sowinetz sowohl das zunächst Jämmerliche wie die spätere Anmaßung Claudia Riesche! hat das Aufbrausende und die Härte der Sartorius-Tochter, das nette, von ihr mißhandelte Dienstmädchen stellt Sylvia Eisenberger dar. Die Bühnenbilder von Gottfried Neuman-Spallart, die Kostüme von Astrid Six ergeben gut die Impression neunziger Jahre. Harald Mueller schuf verdienstvoll eine Neuübertragung des Stückes.
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