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Auf Smetanas Spuren

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Daß das Schloß von Leitomischl das Museum der tschechischen Musik beherbergt, kommt nicht von ungefähr. In dieser Stadt wurde dem Braumeister Smetana 1824 sein Sohn Bedf ich (Friedrich) geboren.

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Daß das Schloß von Leitomischl das Museum der tschechischen Musik beherbergt, kommt nicht von ungefähr. In dieser Stadt wurde dem Braumeister Smetana 1824 sein Sohn Bedf ich (Friedrich) geboren.

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Grün und klar - wie es einem Gebirgsflußzukommt-durcheiltüber dunkle, bemooste Steine huschend die Loucnä das Städtchen Litomysl (Leitomischl). Viel weiter im Norden wird sie sich dann, behäbiger und schwerer geworden, unweit von Pardubitz in die Elbe ergießen. Um 1150 hat hier Bischof Heinrich von Olmütz am Oberlauf des Flusses aus der Böhmisch-Mährischen Höhe - und schon damals Lebensader zahlreicher An-siedlungen - ein Kloster bauen lassen. In einem zeitgenössischen Bericht liest sich das folgendermaßen: „Zu des Königs Wladislai in Böheim Zeiten bawet Bischoff Heinrich von Olmütz allhie ein Closter, wie er dergleichen in Orient gesehen hatte, und nennete es, weil es mit der Gelegenheit des Oelbergs im Morgenland übereintraffdenOelberg.KayserCarl der Vierdte hat allhie ein Bistumb auß dem Praemonstratenser Closter Anno 1344 gemacht, so Episcopus Lutho-mislensis genannt..."

Der erste Bischof in Leitomischl war Johannes von Neumarkt, Reichskanzler Karls, in die Geschichte eingegangen als „Vater der Böhmischen Kanzleisprache", jenes neuen Stils der hochdeutschen Sprache, der sich dann in fast allen deutschen Ländern durchsetzte. Die Dauer des Bistums war begrenzt: rund 100 Jahre später wurde es wiederum aufgehoben.

Ein anderer Glaube hatte sich breitgemacht, Leitomischl wurde zur Hauptgemeinde der Böhmischen Brüder. Im Jahre 1519 erschien hier das erste bedeutende Gesangsbuch der Böhmischen Brüder das nach seiner Übersetzung auch von Luther benutzt wurde und zum Teil auch heute noch gesungen Wird.

Im Jahre 1568 ließ Vratislaw von Pernstein ein monumentales Renaissanceschloß erbauen, dessen frisch renovierte Pracht dem Besucher des Städtchens schon von weitem ins Auge sticht. Das Schloß, das an Stelle der einstigen Bischofsresidenz erbaut wurde, besticht vor allem durch seine Größe und die klaren Linien in weiß-rot, die das Bauwerk reizvoll in Konkurrenz zum barocken Bild des Marktes treten lassen. Im 18. Jahrhundert ließ Joseph Graf Waldstein ein Empire-Theater im Schloß errichten, das samt der historischen Requisiten bis zum heutigen Tage erhalten blieb (und nach aufwendiger Restaurierung auch zu besichtigen ist). Bis zum heutigen Tage besteht auch das von den Pernsteins gegründete Piari-stengymnasium, das sich nach dunkler Zeit nun wieder großer Beliebtheit erfreut.

Gegenüber dem Schloß erhebt sich ein ebenfalls im Renaissancestil erbautes Gebäude: die ehemalige Schloßbrauerei, auf deren Torfront eine schlichte Gedenktafel daran erinnert, daß in diesem Brauhause „Bedfich Smetana" das Licht der Welt erblickte.

Der Vater Smetanas war seit 1823 Pächter der gräflichen Brauerei. Er stammte aus dem Riesengebirgsvorland, sollte ursprünglich Waldheger werden, wählt aber das Brauhandwerk. Die Gesellenwalz führt ihn über Niederösterreich und Wien nach Schlesien. Er kehrt nach Böhmen zurück, heiratet 1820 zum drittenmal und ließ sich drei Jahre später in Leitomischl nieder. Am 2. März 1824 gebar ihm seine Frau -nach sechs Töchtern - den ersten Sohn. Seine Freude über den Stammhalter war so groß, daß er mit der Dienstmagd, die ihm die frohe Botschaft überbrachte, laut singend zu tanzen begann.

Der junge Smetana war -nicht unähnlich dem großen Mozart - ein musikalisches Wunderkind. Der Vater hatte schon frühzeitig das große Talent seines Sohnes erkannt und ließ ihn zu dessen großer Freude schon im zarten Alter von vier Jahren das Geigenspielen beibringen. Der erste Violinlehrer war Anton Chme-lik, dem wir es zu verdanken haben, daß die erste Impovisation des fünfjährigen Knaben, ein Walzer, zu Papier gebracht wurde. Zu Kaisers Namenstag am 4. Oktober 1830 tritt der kleine Friedrich das erste Mal in der Öffentlichkeit im Schloßtheater von Leitomischl auf und begeistert die Erwachsenen mit seiner Klavierinterpretation der Revolutionsoper „Die Stumme von Portici".

„Ich, Friedrich Smetana..."

Mit sechzehn Jahren beginnt Friedrich Smetana ein Tagebuch zu führen: „Ich, Friedrich Smetana, geboren zu Leitomischl. Als ich das 4te Jahr erreichte, lehrt mich der Vater Takt zur Musik. Im 5ten Jahre ging ich zur Schule, lernte dabei aber Violin und Pianoforte. Im 7ten gab ich bei einer Akademie in Leitomischl die Ouvertüre zur Stummen zum besten..."

1835 übersiedelte die Familie nach Neuhaus (Jindrichflv Hradec). Der junge Künstler besuchte das Gymnasium und setzte das Studium später in Prag fort. Nebenbei verdiente er sich seinen Unterhalt mit Klavierstunden. Die finanzielle Wende brachte ein Engagement als Hauslehrer des Grafen Thun-Hohenstein. Es folgten erste Auftritte als Pianist in Prag (1845) und Konzerte in Pilsen und Eger (1847).

1856 trifft er Franz Liszt, den er seit Kindheit verehrt hat, in Prag. Es folgt das für ihn sehr wichtige Gastspiel als Pianist und Kompositeur in Göteborg. 1866 entsteht die „Verkaufte Braut" und zwei Jahre später die Oper „Dalibor", mit der das Prager Nationaltheater eröffnet wurde.

Smetana wird im Oktober 1874 völlig taub. Sein Musikgenie wird aber davon nicht getroffen: er vollendet den Zyklus „Mein Heimatland". Friedrich Smetana wird von seiner Tochter aufopfernd gepflegt, versinkt aber in Trübsinn und stirbt geistig umnachtet am 12. Mai 1884 in einer Prager Pflegeanstalt.

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