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Autoren - und Beleuchter...

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In der Schweiz hat sich vor kurzem eine Art Kulturrevolution abgespielt, von der man merkwürdigerweise noch nichts erfahren hat; dabei bereitet sich die Sache schon seit einigen Jahren vor. Nun ist zwar noch nichts „Endgültiges“ geschehen —■. aber es sind eint; ^roße Anzahl von Resolutionen und Protestschreiben formuliert und geschickt worden, und es kann nur noch eine Frage von Tagen oder Wochen sein, bis sich die europäische Öffentlichkeit mit der Angelegenheit befaßt es handelt sich um die Revolte der Bühnenautoren und der Komponisten von Bühnenwerken — die geht es ja an — gegen die unmögliche Art ihrer Bezahlung.

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In der Schweiz hat sich vor kurzem eine Art Kulturrevolution abgespielt, von der man merkwürdigerweise noch nichts erfahren hat; dabei bereitet sich die Sache schon seit einigen Jahren vor. Nun ist zwar noch nichts „Endgültiges“ geschehen —■. aber es sind eint; ^roße Anzahl von Resolutionen und Protestschreiben formuliert und geschickt worden, und es kann nur noch eine Frage von Tagen oder Wochen sein, bis sich die europäische Öffentlichkeit mit der Angelegenheit befaßt es handelt sich um die Revolte der Bühnenautoren und der Komponisten von Bühnenwerken — die geht es ja an — gegen die unmögliche Art ihrer Bezahlung.

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Diese Personen, ohne deren Arbeit kein Theater der Welt seine Pforten öffnen könnte es sei denn, es beschränke sich auf die sogenannten „freien''' Autoren, also meist Klassiker — sind ohne Zweifel die am schlechtesten bezahlten Arbeiter der Welt. Nach Zürich rief nicht nur die Deutsche Dramatikerunion, sondern auch der Schweizerische Bühnenver-legerverand, es kamen Franzosen, Spanier, Italiener, Österreicher, es erschienen englische Schriftsteller und ein kleines Heer von Dolmetschern.

Worum ging es? Worum geht es?

Seit der sogenannten Genfer Konvention, also etwa seit den achtziger Jahren, erhalten Schöpfer von Bühnenwerken, respektive deren Erben, bis dreißig Jahre nach ihrem Tode 10 Prozent der Tantiemen aus ihren Werken. Inzwischen wurden es fünfzig und sogar siebzig Jahre.

10 Prozent der Einnahmen einer Vorstellung (am Rande: von diesem Geld erhalten die Bühnenvertriebe noch ein Viertel).

Wenn es sich um musikalische Werke handelt, werden nicht mehr Tantiemen bezahlt, sondern es müssen sich Musiker und Librettisten eben in diese 10 Prozent teilen. Das kommt dann jeweils auf die Geschicklichkeit an. Bert Brecht, der ja bekanntlich nie etwas mit Kapitalismus zu tun haben wollte, drückte Kurt Weill, den Komponisten der „Dreigroschenoper“, auf 25 Prozent. Richard Strauss Hugo von Hofmannsthal auf noch weniger für die Dichtung des „Rosenkavalier“.

Die Regelung mit den 10 Prozent war niemals großzügig, aber als die Theater — vor der Aera des Films, des Tonfilms, des Radios und des Fernsehens — noch gut gefüllt waren, noch einigermaßen erträglich für die Autoren. Die Situation änderte sich bald nach dem Ersten Weltkrieg, beziehungsweise der In-

flation. Die Theater spielten nicht einmal mehr ihre Unkosten, geschweige denn einen Gewinn ein. Sie mußten schließen oder subventioniert werden. Subventionen direkt oder indirekt — das heißt, durch staatliche oder städtische Gelder oder durch die Volksbühnen, die in verschiedenen Städten und Ländern verschiedene Namen tragen. Die Kasseneinnahmen schwanden, weiterhin stiegen die Subventionen; in Deutschland wurde im Jahre 1926 — dem ersten Jahr, für das verläßliche Zahlen vorliegen — 24 Millionen an der Kasse eingezahlt, das Personal (will sagen die Schauspieler, die Sänger, die Musiker, die Regisseure) kosteten bereits 61 Millionen. Im Jahre 1970 betrug das Verhältnis 106 zu 555 Millionen.

Schon damals waren die Autoren skandalös benachteiligt. Umfragen in Deutschland, Frankreich, Österreich und auch Italien ergaben, daß augenblicklich im Theaterhaushalt 1,4 Prozent der Unkosten auf das Konto der Tantiemen gehen; das heißt auf diejenigen, die die Stücke schreiben oder sie komponieren.

Die Sache sähe schon anders aus, wenn die Autoren mit 10 Prozent beteiligt wären an allem, was einkommt — also an Kasse und Subvention. Warum denn auch nicht? Verdienen denn die Direktoren, die Regisseure, die Schauspieler ihr Geld nicht nur deshalb, weil ihre Theater subventioniert werden? Dürfen progressive Regisseure Klasssiker nicht auf Kosten der Steuerzahler verschandeln? I

Eine Umfrage in der Bundesrepublik hat vor kurzem ergeben, daß Dramatiker durchschnittlich zwischen 200 und 600 DM pro Monat verdienen. Da die wenigen durchgesetzten Autoren sehr viel mehr verdienen, bedeutet das, daß die meisten sehr viel weniger verdienen.

Und auch 5 Prozent oder 10 Pro-(

zent Erhöhung werden nicht viel daran ändern, daß jeder Geiger pro Abend mehr verdient als der Mann, der seine Musik schrieb, jeder Kleindarsteller mehr als sein Dichter, daß zum Beispiel Shakespeare für die Aufführung des „Julius Caesar“ in Berlin oder des „Richard III“ in Hamburg, für die der Regisseur Hans Hollmann verantwortlich zeichnet, wesentlich weniger Tantiemen erhalten hätte, als dieser Regisseur Gage erhielt.

Der Beleuchter verdient mehr als der Dichter. Der Beleuchter erklärt, und vielleicht nicht zu unrecht, daß er mehr verdienen muß, als er bisher verdient hat, weil die Preise gestiegen sind. Aber für Leute, die schreiben, gilt das offenbar nicht.

In der Bundesrepublik hat die Bundestagsmehrheit ein Gesetz zur Reform des Sexualstraf rechts beschlossen. Damit wurde die Pornographie so gut wie freigegeben.

Nun ist die Freigabe der Pornographie im Grunde eine Frage des guten Geschmacks, waren nicht auch die Fragen des Jugendschutzes dabei involviert. Tatsache ist, daß nach Auffassung fast aller verantwortungsbewußten, und nicht durch ideologische Scheuklappen gestörten Pädagogen die Pornographie einen negativen Einfluß auf die kindliche Psyche, vor allem aber auf das jugendliche Sexualleben ausübt.

Man wirft den Christen heute stereotyp vor, daß sie in Fragen der Sexualmoral traumatisiert seien, daß ihre Haltung — etwa in der Frage der Abtreibung — unsozial und antimenschlich sei und daß sie bei der Beurteilung der Pornographie gleichfalls überholten Vorstellungen entsprechen.

Nun ist die Äbtreibung, also die Tötung von menschlichem Leben eine Frage von entscheidender und grundsätzlicher Tragweite; die Pornographie hat nur ungleich geringeren Stellenwert. Als „Reform“ wird aber einer verunsicherten Öffentlichkeit heute ein umfängliches Amalgam von unklaren Synonymen für „fortschrittlich“ und „reaktionär“ präsentiert: wer ergo für die Abtreibung ist, ist auch für die Freigabe der Pornographie; im Zeichen der „Befreiung der Frau“ ist der Kampf gegen jeden Paragraphen Fortschritt. Als ob die pornographische Schaustellung der Frau zu ihrer Befreiung beitrüge ...!

Nun ist die Freigabe der Pornographie in Deutschland für Österreich insofern von Bedeutung, als wir ja Mitkonsumenten auf dem deutschsprachigen Illustriertenmarkt sind.

Man muß daher in Österreich ab sofort entweder ausländische Presseerzeugnisse laufend konfiszieren (auf Grund der derzeitigen Rechtslage) oder gleichfalls bei der Porno-Liberalisierung durch Gesetz mitziehen.

Auf jeden Fall wird der schlechte Geschmack siegen; und die Porno-Produzenten, die jetzt ganz legal Millionen kassieren dürfen. Schöner Fortschritt.

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