7170638-1982_44_12.jpg
Digital In Arbeit

Bedauert — abgestempelt

19451960198020002020

Die Vorbereitungen für den Österreichischen Katholikentag 1983 sind voll in Gang - hier zwei erfolgreiche Veranstaltungen auf Dekanats- bzw. Diözesan-ebene.

19451960198020002020

Die Vorbereitungen für den Österreichischen Katholikentag 1983 sind voll in Gang - hier zwei erfolgreiche Veranstaltungen auf Dekanats- bzw. Diözesan-ebene.

Werbung
Werbung
Werbung

Was für eine Woge von Dankbarkeit für ein wenig Zuwendung! Ich war überrascht von der Ergriffenheit, die schlichte Gesänge einer Jugendgruppe, Dankesworte an Ärzte, Schwestern und Spitalspersonal sowie Genesungs- und Segenswünsche an die Kranken auslösten.

Jugendliche aus allen Pfarren des Bezirks brachten Blumengrüße in mehrere Pavillons des Pul-mologischen Zentrums und in alle Stationen des Psychiatrischen Krankenhauses der Stadt Wien auf der Baumgartner Höhe. Dies bildete den Auftakt zum Bezirkskatholikentag im Stadtdekanat Wien XIV. Anfang Oktober.

Die Feier selbst fand in der großartigen Otto Wagner-Kirche St. Leopold am Steinhof statt. Dieser Veranstaltungsort inmitten eines psychiatrischen Spitals war nicht nur wegen des prächtigen, weithin sichtbaren Gotteshauses gewählt worden, hier sollte vielmehr auch die Verpflichtung der Gesunden zur Hinwendung an Kranke aller Art hautnah spürbar werden. Besonders psychisch Behinderte zählen ja zu den Randexistenzen unserer Gesellschaft. Erfreulicherweise konnte eine Reihe von Patienten am Gottesdienst teilnehmen.

„Der ist ja nicht ganz normal!", sagt man beiläufig und vorschnell. So gekennzeichnet ist man aber oft genug in seiner Umgebung abgestempelt.

Abgestempelt und ausgestoßen sind bei uns auch die sogenannten Sandler — unstete, beschäfti-gungs- und unterkunftslose, meist dem Alkohol verfallene Menschen, in Wien sind das schätzungsweise an die 8.000. In den wiederholten Diskussionen über dieses Problem kann lediglich um Verständnis geworben werden: „Die wollen bloß nicht arbeiten", wird in völliger Verkennung einer sehr komplexen und tragischen Situation argumentiert.

Die vielen Gehirngeschädigten, Mongoloiden, Debilen — lassen wir sie an unserem Leben teilnehmen, so gut es geht, helfen wir ihnen, wo es möglich ist? Oder stellen wir sie außerhalb unserer Lebensbereiche mit Bemerkungen wie: „Die gehören in ein Heim, in ein Spital, ein Arbeitslager?"

Viele der leiblich oder (und) geistig Kranken, der Debilen oder (und) Gescheiterten kann auch beste Pflege und liebevollste Zuwendung nicht mehr in ein normales Leben zurückholen. Oftmals ist das einzig mögliche, ihnen das Bewußtsein zu geben: Du bist von mir als Mensch angenommen, ich stehe dir in deinem Leiden, ja noch in deinem Scheitern zur Seite.

Für den Gläubigen heißt dies, daß er etwas von der Güte Gottes vermittelt, der keinen zurückweist, sondern jedes seiner Geschöpfe, auch das armseligste, liebt. Die Zeichen dafür zu erfassen, braucht es keines funktionierenden Verstandes, selbst das schwachsinnigste Kind spürt, ob es geliebt oder abgelehnt wird. Liebe und Zuwendung aber bringen Licht, Wärme und Hoffnung in das Leben solcher Brüder und Schwestern.

Beim Dekanatskatholikentag sollte dies durch einen großen Lichterzug sinnfällig werden: durch die Parkanlage von Steinhof wogte das helle und warme Flackern von tausend Kerzen zwischen den Pavillons.

„Willst Du glücklich sein im Leben, trage bei zu andrer Glück, denn die Freude, die wir geben, strömt ins eigne Herz zurück" — könnte in dem abgebrauchten Stammbuch-Vers nicht Glück durch Zuversicht und Freude durch Hoffnung ersetzt werden? Wer für andere Hoffnung und Zuversicht ausstrahlt und dabei als Glaubender ganz bewußt Gott gegenwärtig setzt, wird selbst mit Zuversicht erfüllt. So wäre eine andere Version des Katholiken-tags'-Mottos: Hoffnung geben hilft, selber in Hoffnung leben.

Der Autor ist Dechant in Wien-Breitensee

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung