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Bildungssignale
Auf dem Stuttgarter Killesberg verstanden kürzlich die angereisten Journalisten die deutsche Büdungswelt nicht mehr. Seit mehreren Jahren hat man die Bildungsmittelzunft für sterbenskrank erklärt. Letztes Jahr in Basel glaubten die renommierten Büdungs-Redakteure der „Zeit” die Endzeit der Lehrmittelhersteller für gekommen. Doch der Nekrolog kam zu früh an: Im Februar 1985 drängten sich Hunderte Lehrer in langen Schlangen vor den Kassenhäuschen, bei denen es die begehrten Karten zur „Didacta 85” gab.
Beim Kassensturz nach fünf Tagen Messetrubel kam allenthalben Freude auf: fast 70.000 Besucher hatten die Informationsangebote von über 700 Ausstellern wahrgenommen. Erstmals seit vielen Jahren mußten einige von ihnen sogar auf die Warteliste. Es war eine „didacta der Zuwächse”: 15 Prozent mehr Besucher als das letzte Mal in Hannover, Tendenz der Aussteller aus dem Ausland steigend.
Lehrerverbände, Gewerkschaften, wissenschaftliche Vereinigungen und Bildungsmittelhersteller boten ein so reichhaltiges und umfangreiches Programm, daß man sich fragen mußte, wo denn die Besucher alle herkamen, die die Veranstaltungen füllten. Denn gefüllt waren sie fast alle: das Schulbuchforum der Schulbuchverleger, der Schulcomputerkongreß der Gesellschaft für Pädagogik und Information, die Straße der Weiterbildung und die Veranstaltungsreihe „Betriebliche Aus- und Fortbildung” des Deutschen Lehrmittelverbandes.
„Lernen ist Zukunft” lautete das optimistische Motto, das die Messeveranstalter vorgegeben hatten. Weniger hoffnungsfroh, aber ebenfalls mit positiver Grundtendenz formulierte die Bonner Bildungsministerin Doro-thee Wilms zur Eröffnung: „Im
Gegensatz zu vielen früheren Ausstellungen präsentiert sich dieses Jahr die .didacta' vor einem betont realistischen Hintergrund. Die Zeit der großen Reformen, der überschwenglichen Aufbruchs-Stimmungen ist verflogen, aber auch die Zeit der Resignation.”
Was ein Bildungspolitiker beschwört, dem müssen die Pädagogen noch lange nicht folgen. Diesmal aber kamen sie in Scharen -so unverhofft, wie sie in den vergangenen Jahren ausgeblieben waren. Was brachte Umschwung und Wende, und war das schon Umschwung und Wende? Am Computer allein kann es nicht gelegen haben. Obwohl man auf den langen Wegen durch die 14 Hallen an allen Enden und Ecken auf Computer auflief, waren die Informationstechniken und Kommunikationsmaschinen nicht die Attraktionen für die Pädagogen aller Arten.
Im Gegenteil: Die Stände mit den traditionellen Bildungsmitteln, allen voran die gedruckten Medien, und da wieder in erster Linie das Schulbuch, wurden umlagert, belagert und gestürmt. Obwohl es viel weniger umsonst gab als in den fetten Jahren der prallen Schulkassen. Für viele Beobachter war die „didacta” in Stuttgart ein Signal, manch einer erkannte sogar mehrere.
Zunächst: so leicht hat es die Computerindustrie keineswegs, in die deutschen Schulen hineinzukommen. Vielleicht liegt es an der öffentlich geführten Diskussion um die neuen Informationstechniken, vielleicht sind die deutschen Pädagogen eben bedächtiger, vielleicht aber ist man in der Bundesrepublik eben nicht — mehr — so naiv technikgläubig wie jenseits des Atlantik.
Auf der anderen Seite: man hat wieder Interesse an Pädagogischem.
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