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Danke, kein Gruppenbild

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Natürlich weiß ich, welch toleranter Mens chichbin. Wer weiß das von sich selber nicht Aber auch meine Duldsamkeit hat Grenzen. Und die werden beim Wahrnehmen bestimmter Worte wie auch ■ deren Bedeutung, sprich Realisierung, drastisch erkennbar.

Hieher gehören die Verben „Spazierengehen“ (= sinn- und ziellos umherwatscheln), „plaudern“ (jeder, der mit mir p laudern will, sollte strafweise 24 Stunden bei Wasser und Brot mit einem Conferencier der fünfziger Jahre in eine Ausnüchterungszelle gesperrt werden) oder das Substantiv „Schlafzimmer“ (= zwei nebeneinandergestellte Liegestätten maximaler Unbehaglichkeit, darüber ein röhrender Hirsch, ferner im Raum eine sogenannte Psyche. - das nächste aggressionsf ordernde Wort -, ein Hocker und zwei Stühle samt zwecklosem Usch, alles von bemerkenswertem Mief umsponnen).

Na ja, so schauen ein paar Beispiele aus. Das Wort aber, das meine oben exemplarisch angedeutete Intoleranz noch in den Schatten zu stellen imstande ist, heißt „Gruppe“ . Und alle mit ihm zusammengesetzten Begriffe gehören dazu.

Psychiater (die mit der vorhin zitierten Psyche höchstens die danebenstehende Ottomane gemein haben) können mir gegen meine Abneigung schon deshalb nichts anbieten, weil sie's womöglich in Gruppentherapie versuchen würden. Und da ich schon als Kind Wander-, Schwimm- und Gesangsgruppen erfolgreich entkommen bin, hat alles Gruppendynamische allergiefördernde Auswirkungen auf mich. Ich vermeide es geflissentlich, hier jenes zusammengesetzte Dingwort zufällig männlichen Geschlechts zu erwähnen, das meinem Grauen gewissermaßen die Krone aufsetzt (was ein hatschertes Bild ist, denn auch eine Krone ist ein Kleidungsstück, und ein solches hat da, glaube ich, nix verloren). Mir genügen jedoch schon Fördergruppen, Selbsterfahrungsgruppen und ähnlicher Mumpitz, der völlig ignoriert, daß der Mensch ein Subjekt ist und eine Gruppe bestenfalls eine Prothese. Daß sich viele in der Gruppe wohlzufühlen meinen, mag sein. Die vorübergehende Ausnutzung einer solchen zu persönlichen Vorteilen und gleichzeitigen Nachteilen der anderen entschuldigt dies jedoch nicht nur nicht, es mehrt meine Aversion. Zumeist sind's ja - keine Gruppe ohne Leithammel - die Gruppenführer, deren Aktivitäten das Unwesen der Gruppe steigern. Reifere Jahrgänge können sich diesbezüglich vielleicht noch an den Ortsgruppenleiter erinnern, der keines Kommentars bedarf.

Der viel zu oft bemühte Gruppengeist ist ja, in Vereinen, Verbänden und Parteien mißbraucht, ebenfalls völlig absurd Niemand kann mir plausibel machen, daß alle, die etwa für die Beibehaltung der mitteleuropäischen Eßtradition eintreten, zwangsläufig auch gegen den Fortbestand des Kleingartenwesens ins Feld ziehen. Solches jedoch wird besagtem Gruppengeist unterstellt, ja von ihm erwartet.

Selbst Baumgruppen sind mir, einem engagierten Naturfreund, suspekt, da sie vermutlich als Restbestände von Wäldern anzusehen und daher armselige und bestenfalls Gelegenheitsdichtem gefällige Populationen sind. (Die einzige Ausnahme, die mich einstens sehr erheitert hat, ist die Pappelgruppe, die im phonetischen Schüttelreim zur Krabbelpuppe' wird.)

Was aber, so frage ich, soll ich gegen das Wort Gruppe und seine Verwirklichung tun? Allein - gegen so viele.

Insgeheim überlege ich. Möglicherweise gründe ich eine Antigrup-pen-Gruppe.

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