7170135-1982_42_13.jpg
Digital In Arbeit

Das essen der sommer der tod

Werbung
Werbung
Werbung

zu einem schmalen weg, den heute niemand mehr geht. Das tor sperrt ein handgeschmiedeter, großer Schlüssel, es gibt nur langsam nach. Gras schießt hier üppig, brennesseln auch, es ist schattig. Manchmal wird der holzzaun frisch geteert, man kann es riechen, wenn die sonne scheint, öliger, fetter, dunkler geruch nach geteerten fichtenbrettern.

Mir träumte, der tod käme, mich zu holen. Es war ein großer, sehr großer mann in einem langen schwarzen mantel. Er war ruhig und freundlich und duldete keinen aufschub, keinen Widerspruch. Er zog mich langsam. Ich will nicht. „Mein kind!" rufe ich. Aber er sagt nur, es wäre nun zeit, und hülfe nichts, ich solle ihm die hand geben, ich geb ihm die hand, wir gehen.

Wir wandern den hang hinauf, gleich nach dem haus der eitern, wo ich früher immer gegangen bin. Und oben angelangt sehe ich, daß hinter der hügelkuppe das unendliche meer beginnt, es ist grau. Er macht einen schritt weiter, zieht mich, aber ich kann doch nicht gehen auf wasser! Doch über dem meer ist eine schicht, so glatt wie glas, so kühl wie eis, hoch über diesem meer eine durchsichtige fläche, auf der gehen wir, weit.

Ich will sein gesicht sehen, aber da ist kein gesicht. Er wendet sich nicht ab von mir, er wendet sich mir nicht zu, aber es ist kein gesicht, er hat kein gesicht. Er ist freundlich, freundlich und vollkommen gleichgültig.

Wir kommen zu einem hohlweg, steine und steine, grelle felsen. Eine f rau kommt uns entgegen, es ist mama, ihre kleidung lila, sehr auffallend, in der mode der sechziger jähre, sie sieht uns nicht. Ihr strahlender blick geht in die ferne, sie murmelt fröhlich, sie ist irr, weiß ich plötzlich, sie genießt hier einen sonderstatus, sie ist glücklich, sie kann überallhin gehen, es hindert sie niemand, mit ihrem leuchtenden gesicht.

In der kleinen felsenkammer, die mir zugewiesen wird, weine und weine ich um mein kind, zusammengekrümmt vor lauter schmerzen. Es sind leute da, und schwarze frauen, die wollen beruhigen und trösten, sie sind herzlich und lächeln, sie kennen diesen schmerz und neigen sich und streicheln meine schultern, während ihre äugen rinnen, und sie flüstern „jaja, es wird geringer mit der zeit. Sie kommen alle. Wir brauchen nur zu warten, diese endlose zeit", und ich sehe mich um und erkenne manche gesichter, „vater!" schreie ich.

Das land ist wie wüste, wie schnee, und überall sind kam-mern und löcher im fels, die Wohnungen der toten, gleichmäßig verteilt wie Vogelnester.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung