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Das ist igm Weinen
Was bisher zum Thema Empfängnisregelung von höchster kirchlicher Seite gesagt und geschrieben worden war, konnten gutwillige Kritiker noch als einigermaßen sachliche Diskussionsgrundlage anerkennen. Was der Papst und einige Teilnehmer an einem Moraltheologenkongreß dieser Tage dazu angemerkt haben, sprengt diesen Rahmen. Es läßt nur noch heiligen Zorn oder Trauer zu. Laßt es uns mit Trauer versuchen.
Der Papst sagte vor dem Kongreß, der vom .Jnstitut Johannes Paul II. für Studien über Ehe und Familie“ und dem „Opus-Dei“-nahen Zentrum vom Heiligen Kreuz“ in Rom veranstaltet wurde, laut kirchlichen Nachrichtenagenturen unter anderem:
Das Verbot künstlicher Empfängnisverhütung dulde „in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft keine Ausnahme“, weil die Pflicht zur Offenhaltung jedes ehelichen Aktes für die Entstehung neuen Lebens keine Erfindung von Menschen, sondern „von der Schöpferhand Gottes in die Natur der menschlichen Person eingeschrieben“ sei. Wer die Lehre von .JJumanae vitae“ nicht anerkennt, stelle „die Idee selbst der Heiligkeit Gottes“ in Frage. Der Verhütungsakt sei „in sich unerlaubt“, und kein Moraltheologe dürfe Ausnahmen konstruieren — also offenbar nicht einmal im Fall von AIDS, obwohl selbst .Jlumanae vitae“ Verhütungsmittel als therapeutische Anwendung erlaubt.
Ein Diskussionsredner, Msgr. Carlo Caffara, sagte sogar: „Wer Verhütungsmittel benutzt, will nicht, daß neues Leben entsteht, weil er ein solches Leben als ,Ubel' betrachtet. Das ist dieselbe Einstellung wie die eines Mörders, der es als ,Ubel' ansieht, daß sein Opfer existiert.“
Gegen diese unerhörte Unterstellung protestierten zwar einige Teilnehmer selbst dieses äußerst einseitig zusammengesetzten Kongresses, aber daß der Vatikan Bischöfe ,^ur Ordnung rufen“ sollte, die in ihrem Bereich Moraltheologen mit abweichenden Auffassungen „dulden“, schien ziemlich einhellige Auffassung zu sein.
Die Trauer und der Schmerz, die solche Äußerungen hervorrufen müssen, beziehen sich nicht in erster Linie auf eine Doktrin, die nicht nur hinter Vaticanum II, sondern hinters Mittelalter zurückgeht und unbe-gründbar, unbiblisch und unkirchlich ist. Die Trauer gilt, vor allem dem Umstand, daß Millionen vernunftbegabter Menschen ein solches Lehramt auch dort nicht mehr ernst nehmen werden, wo es Respekt und Achtung verdient. Das ist die wahre Tragödie, und ihr Ausmaß ist groß.
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