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Das Konzert der Saison

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Wir meinen die bisherige Saison, und wir sprechen von dem Chor-Orchesterkonzert, das Bruno Maderna am vergangenen Samstag und Sonntag im Großen Musikvereinssaal leitete. Ein solches Programm ist nicht gerade häufig in Wien, und auch die Ausführung war exzellent.

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Wir meinen die bisherige Saison, und wir sprechen von dem Chor-Orchesterkonzert, das Bruno Maderna am vergangenen Samstag und Sonntag im Großen Musikvereinssaal leitete. Ein solches Programm ist nicht gerade häufig in Wien, und auch die Ausführung war exzellent.

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Bruno Maderna, Venetianer des Jahrgangs 1920 und als Komponist Schüler seines Landsmannes Mali-piero (dirigieren lernte er bei Hermann Scherchen), sieht jetzt wieder so aus, wie wir ihm vor etwa 20 Jahren zum erstenmal in Rom begegnet sind: rank und fast schlank, voll Energie und in bester körperlicher Verfassung. — Daß er ein interessanter Komponist und einer der besten Interpreten neuer Musik ist, weiß man. Aber um sein physisches Wohlbefinden hatten seine Freunde sich seit Jahren Sorgen gemacht. Nun also ist er wieder „gut beisammen“, was für alle, die an der vorbildlichen Interpretation neuer Musik interessiert sind, eine große Freude bedeutet.

Er kam mit. dem Residentie Orkest den Haag, das 1904 gegründet wurde und seit 1949 von Willem van Otter-loo geleitet wird: ein sympathisches Ensemble mit hohem technischen Standard und bemerkenswerter Musikalität. Es besitzt einen vorzüglichen Primgeiger, einen blendenden 1. Trompeter und präzise Holzbläser. Das Programm war ganz nach unserem Geschmack — und, dem Applaus nach zu schließen, hatte auch das Publikum nichts dagegen.

Zur Eröffnung: „Music of Gaiety“, eine fünfteilige Suite von Stücken aus dem berühmten „Fitzwilliam Virginal Book“, von Maderna ausgewählt und mit feiner Hand für kleines Orchester (sechs Holzbläser und Streicher) instrumentiert. Diese Miniaturen von Byrd, Dowland, Far-naby und Philips strahlen eine sehr dezente, wohltemperierte Heiterkeit in Moll aus und bezeugen das hohe

Niveau der englischen Musik an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert. — Hierauf folgte Debussys Tri-ptychon „La Met', 1903 bis 1905 entstanden, das an dieser Stelle nicht vorgestellt zu werden braucht. Maderna und das Residentie Orkest spielten diese Musik deutlich, klar-konturiert und (bei sehr zurückgenommenen Bässen) in hellen Farben, als lichtgeborene mediterrane Poesie, wie sie auch von französischen Orchestern interpretiert wird.

Nach der Pause: das große Adagio aus Gustav Mahlers (unvollendeter) 10. Symphonie aus dem Jahr 1910: gleichfalls sehr durchsichtig, manchmal weniger expressiv, als wir diesen Satz zu hören gewohnt sind, mit kühlem Blechbläserklang und etwas zurückhaltenden, nicht immer ganz „unisono“ spielenden Streichern. — Den krönenden Abschluß bildete Strawinskys „Psalmensymphonie“ von 1930, zur 50-Jahr-Feier des Boston Symphony Orchestra und zur Ehre Gottes komponiert, eines der zehn Meisterwerke des 20. Jahrhunderts, an dieser Stelle wiederholt besprochen, immer wieder ergreifend und mitreißend, besonders wenn ein Meisterinterpret wie Maderna am Pult steht und der Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde den Chorpart absolviert. Helmuth Froschauer hatte ihn mit aller wünschbaren Akuratesse einstudiert und Maderna tat das Seine dazu, daß diese Wiedergabe exemplarische Qualität erhielt. Es war ein festlicher Abend, auch für die Ausführenden, die sehr lebhaft gefeiert wurden. (Das besprochene Konzert wird vom ORF am 19. März, 20 Uhr, im 1. Programm gesendet.)

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