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Der Alltag ist für manche Frau erholsam

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Bei der Wiener Telefonseelsorge wird die Rückkehr in den Alltag nach dem Urlaub nicht unbedingt als Zeit besonderen Ansturms von Hilfesuchenden registriert „Wir stellen vielmehr fest, daß eher der Urlaub selbst eine Zeit der Krise darstellt“, faßt Margarethe Skoda, Leiterin der Telefonseelsorge ihre Erfahrungen zusammen.

Das trifft vor allem jene Ehepaare, die sich auseinandergelebt haben und schon das Jahr über in einem Zustand ständiger Spannung miteinander leben, aber aus den verschiedensten Gründenbei-Gammenbleiben. Solange beide arbeiten oder wenigstens der Ehemann tagsüber seinemBeruf nachgeht, kommt man halbwegs über die Runden.

Viele haben dann aber Angst vor dem Urlaub, wo es gilt, 24 Stunden dauernd zusammenzuleben und miteinander zurechtzukommen. Besonders betroffen sind von dieser Angst die Frauen (sie stellen mit rund 75 Prozent das Hauptkontingent derjenigen, die bei der Telefonseelsorge Hilfe

suchen): So manche fürchtet sich davor, von ihrem dominanten Mann im Urlaub ganz vereinnahmt zu werden, kein eigenes Programm machen zu dürfen und nach seiner „Pfeife tanzen“ zu müssen.

Ähnlich werden oft auch die Wochenenden erlebt, was dazu führt, daß Freitag und Montag die Tage mit der höchsten Zahl von Anrufen sind. Am Freitag melden sich jene, die sich vor dem Wochenende fürchten und am Montag jene, die sich ihren Ärger und ihre Enttäuschung von der Seele reden müssen. „Und so kommt es oft vor“, stellt Skoda zusammenfassend, ohne jedoch verallgemeinern zu wollen, fest, „daß vor allem manche Frauen die Rückkehr in den Alltag als Befreiung erleben“.

Die Rückkehr in den Schulalltag stellt eine besondere Umstellung dar, gab es doch eine Unterbrechung von zwei Monaten. Viele Lehrer nützen diese, um ganz „auszusteigen“. Sie tun sich besonders schwer, in den Schulrhythmus zurückzufinden. Da ist eine kurze Vorbereitung in den letzten Ferienwochen vorteilhaft.

Denn die Umstellung ist enorm: von der freien, selbstgestalteten zu einer extrem reglementierten Zeiteinteilung: 50 Minuten Unterricht - Läuten - fünf Minuten Pause - Läuten - 50 Minuten Unterricht..., vom Ferienleben im überschaubaren Kreis der Familie auf ein Leben mit vielen hundert Menschen, von relativer Stille zum Lärm.

Bei jüngeren Lehrern mit befristeten Verträgen kommen zu Schulbeginn noch Existenzsorgen dazu: Wird man halbwegs ausreichend Stunden bekommen, ausreichend viel verdienen?

Erich Perschon, Professor an einer großen AHS, berichtet aber auch von einer gewissen Neugier, die ihm jedes Jahr die Rückkehr nach den Ferien erleichtert: Welche neuen Aufgaben, neuen Schüler, neuen Klassen erwarten ihn? Man freut sich auf das Wiedersehen, mit all jenen, mit denen man das Jahr über gut ausgekommen ist, malt sich aus, wie sich manche Schüler verändert haben werden

(was besonders bei den 13- bis 14jährigen überraschend sein kann).

Und die Schüler? Sie sind zu Beginn umso eifriger, je junger sie sind. Um den Lehrbetrieb in den dritten und vierten Klassen AHS in Gang zu setzen, muß man als Lehrer allerdings schon einigermaßen mit Druck arbeiten. Die Oberstuf enschüler wiederum muß man mit Interessantem und Neuem ködern.

Insgesamt geht alles in den Monaten bis Weihnachten mit recht viel Schwung über die Bühne. Manche Lehrer und manche Schüler setzen allerdings im selben Trott fort wie vor den Ferien, wärmen die alten Animositäten auf - aber auch das in abgemilderter Form.

Gibt es ein statistisch auffallendes Verhalten der Berufstätigen nach dem Urlaub? Untersuchungen zu diesem Thema gibt es keine, stellt Martin Mayr von der Bundeswirtschaftskammer fest, allerdings doch einige Erfahrungen. Fraglos sei ein gewisser Leistungsabfall nach der Rückkehr aus den Ferien festzustellen. Das sei vor allem auf das große Mitteilungsbedürfnis nach dem Urlaub zurückzuführen. Diese Tatsache wird im allgemeinen verständnisvoll von den Unternehmen hingenommen.

Festzustellen sei im großen und ganzen auch eine größere Arbeitsbereitschaft und -kapa-zitat. Ob dies auch mit einem besseren Gesundheitszustand einhergeht, läßt sich statistisch jedenfalls nicht klären. Die Zahl der urlaubsbedingten Sportverletzungen falle im Sommer nicht ins Gewicht. Auch könne man nicht von häufigeren Krankmeldungen zum Zweck der Urlaubsverlängerung sprechen. Da komme es schon eher vor, daß jemand versucht, sich vor dem Urlaub krank zu melden, um auf diese Weise die Ferien um einen Tag oder zwei zu verlängern.

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