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Der „gestrige“ Dichter

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Was einer ist, was einer war,Beim Scheiden wird es offenbar.Wir hören's nicht, wenn Gottes Weise summt.

Wir schaudern erst, wenn sie verstummt.

Vor zwei Jahren starb Felix Brauns Freund Max Meli. — Anläßlich der Jury für den Grillparzer-Preis sprach Felix Braun mit dem Burgtheaterdirektor über Max Meli, und dieser nannte Meli einen gestrigen Dichter. Wie sehr dieses Wort gerade Braun getroffen haben muß, der mit all seinen hervorragenden dramatischen Werken auf den Ruf des Burgtheaters vergeblich wartete, vermag nur zu ahnen, wer den Dichter näher kannte. Seine vornehme Erscheinung, seine konziliante Haltung wurzelten in der Welt des alten Österreich, in der es noch Achtung und Ehrfurcht gegeben.

Er, der grenzenlos bereit war, für andere und ihr Werk dazusein, geriet immer mehr in die Isolierung. Als ich Felix Braun vor einiger Zeit mitteilte, daß der Versuch (einer von vielen), ein Manuskript bei einem Verlag unterzubringen, daran scheiterte, daß die Subventionsansuchen verlorengingen, ja wie mir scheinen wollte, torpediert wurden, da sagte er: „Schauen Sie, auch ich habe keinen Verlag. Es tut mir leid, Ihnen nicht besser helfen zu können.“

Als vor dem Ersten Weltkrieg der Dichter Heinrich Lersch aus Deutschland zu Fuß nach Wien kam, fand er bei Felix Braun Unterkommen und Hilfe. Er wurde nicht müde, die Manuskripte vieler junger Dichter nicht nur zu lesen, sondern auch ehrliche Kritik zu üben, verbunden mit fundierten Hinweisen. Voll Klarheit gibt der hervorragende Essayist in seiner Rede an die jungen Künstler Antwort auf entscheidende Fragen: „...euch daran zu erinnern, daß die Kunst in ihrem Wesen so zeitlos ist wie etwa der Weinbau oder die Behandlung des Webstuhles ..., daß der große Künstler nie eine perennierende Revolution wollen kann, weil Gestaltung für ihn alles ist...“

Er war streng im Urteil, streng gegen sich selber. Die Kunst war ihm ein heiliger Dienst. „Verwandlung verlangt die Kunst vom Künstler, insbesondere vom Dichter...“ Das Bild wird für Felix Braun zum Sinnbild. Für ihn bedeutet Lyrik, wie er in seinem letzten Femsehinterview sagte: „...durch Musik und Metapher verwandelte Welt...“

Seine bescheidene Persönlichkeit trat hinter dem Werk zurück. Viel Zurücksetzung und Bitterkeit mußte er erdulden. „Wissen Sie“, sagte er einmal zu mir, „auch die Schreibenden sind untereinander eifersüchtig wie der Gott des Alten Testamentes.“ Er, der Große im Reich der Dichtung, war frei von solchen Anfechtungen. Er stand über der Zeit und über den Dingen. „Hört nicht auf die Schriftsteller, die gescheit vom Zeitgeist reden! Zeit ist vergänglich, Kunst jedoch will Unvergängliches ...“

Felix Braun hat nichts gesagt, was er nicht in seinem Leben und in seiner Kunst verwirklicht hätte. Er wirkte aus der großen Zeit der österreichischen Literatur in unsere Gegenwart im Geist eines echten christliehen Humanismus. Er war aber auch ein begeisterter Österreicher. Wer sein Buch „Das musische Land“, das er schlicht „Versuche über Österreichs Landschaft und Dichtung“ nennt, aufschlägt, wird alsbald erkennen, welch edler Geist in diesem Dichter waltete. Hat nicht das Wort seiner verewigten Schwester, deren Heimgang er nie verwinden konnte, auch für ihn Gültigkeit: „Man muß lernen, aus einem leeren Becher zu trinken.“ Die Zeit wird kommen, vielleicht ist sie nicht mehr ferne, da sein Werk wieder jene Beachtung finden wird, die es wahrhaft verdient, denn er war kein „gestriger“ Dichter, sondern seine Kunst ist unvergänglich.

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