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Die kopernikanische Wende ins Elektronen-Zeitalter

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„Styria“-Generaldirektor Hanns Sassmann sprach von den „Gründerjahren des 21. Jahrhunderts“: Die Tagung des Verbandes katholischer Publizisten in Linz stand unter dem Motto einer „kopernikani-schen Wende ins elektronische Zeitalter“. Die Farbfilme, die FAZ-Re-dakteur Dieter • Ratzke, „Kabel-TV-Experte vom Dienst“ aus der Bundesrepublik Deutschland, über die letzte Funkausstellung in Berlin vorfährte, versetzten den Zuschauer in einen Science-fiction-Roman,

dessen Autor seiner Phantasie freie Zügel hatte schießen lassen.

Der vorprogrammierte Toaströster mag hierbei nur als Spielerei aufscheinen, aber auch die Entwicklung der Automaten begann einst mit den neugierigen Spielereien der Renaissancefürsten. Der Abruf der neuesten Meldungen vom Bildschirm, die „Zwei-Wege-Kommunikation“ (bei der der Empfänger selbst via Bildschirm mit seiner Bank, dem Supermarkt, ja seiner Arbeitsstelle in Kontakt treten kann) sind nahe Zukunft, in Amerika stellenweise bereits Wirklichkeit. Die Texteingabe von der Redaktion direkt über den Bildschirm zur Zeitungsherstellung ist anderswo bereits Tatsache.

Zur Zeitungsherstellung? Sprach nicht jemand vom „Ende des Papierzeitalters“? Was muß diese „kopernikanische Wende“ für den „Zeitungsmacher“, für alle Kommunikationsberufe bedeuten?

Leider fraß sich am zweiten Tag die Diskussion fest am Problem des KabelrFernsehens, an der Frage, ob Monopol oder freie Verfügung, ob Mut zur oder Angst vor der Freiheit. Fragen, die zweifellos hoch aktuell, politisch brennheiß sind. Fragen, die zweifellos auch ihre Rückwirkungen auf die übrigen Medien haben müssen, denn jede Veränderung an einer Schaltstelle im Kräftefeld zwischen Medien, Politik und Bür-

gern muß zwangsweise ihre Rückwirkungen auf alle anderen Schaltstellen in diesem Kräftefeld nach sich ziehen.

Das Kabelfernsehen, wie auch immer es in Österreich zum Tragen kommen wird, ist nur ein Ausschnitt aus der Gesamtproblematik. Wenn das Urkriterium, das die Zeitung vom Rundfunk scheidet - hie gedruckt, hie elektronisch - fällt, wer ist dann für die Herstellung der elektronischen Zeitung zuständig? Die Zeitungsverlage mit ihxer Mei-

nungsvielfalt oder die Monopolbetriebe des Rundfunks? Auch ein Grund, die Monopolfrage zu überdenken.

Die Vervielfältigung des Angebots mit Hilfe der Elektronik bringt aber auch für die Mediengestalter neue Aufgaben, vermehrte Verantwortung. Wird der „Boulevardismus“ auch bei uns auf die Bildschirme übergreifen, wie es in Italien bereits der Fall ist? Die Wahrhaftigkeit müsse die unentbehrliche Grundlage der journalistischen Arbeit bleiben, forderte Paul Twaroch. Mehr als bisher wird es gewisser Ordnungsregeln bedürfen, um das elektronische Zusammenleben erträglich zu gestatten. Die Grenze der Pluralität wird dort erreicht, wo menschliche Grundwerte in Frage gestellt werden.

Die direkte Verkündigung in der Predigt hat nichts von ihrer Bedeutung verloren, obwohl sie seit Jahrhunderten längst nicht mehr die einzige Art der Verkündigung ist. Zeitung und Radio haben sie nicht überflüssig gemacht, aber ihre Methodik beeinflußt. Auch die Allgegenwart der Elektronik wird das Papier nicht überflüssig machen. Aber sie zwingt zum Nachdenken, zum Umdenken. Die Probleme des elektronischen Zeitalters werden nicht durch Wegschauen, nicht durch gebanntes Starren auf die unbekannten Mächte gelöst. Sie zwingen zum Mitmachen.

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