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Die neue Bescheidenheit
Wir torkeln, wenn man den Stimmen der Fachleute und den Zeichen der Zeit glauben darf, in eine neue böse Rezession. Auf gut Deutsch: es kommen schlimme Zeiten auf uns zu... sie sind vielleicht sogar schon da!
Gerade recht in dieses Schreckensszenario des wirtschaftlichen Niedergangs kommt mein Loblied auf den neuen Trend, der da lautet: Bescheidenheit!
Echte Bescheidenheit ist wieder angesagt; die kleinen Freuden des Lebens, die nichts oder nur wenig kosten, kommen wieder zu Ehren, werden wieder geschätzt.
Es stimmt ja wirklich: nichts bereitet im Leben mehr Vergnügen als die echten, die einfachen Freuden des Alltags; wir müssen nur lernen, sie überhaupt als solche zu erkennen und wieder genießen zu können.
Was - um ein Beispiel zu bringen -ist die raffinierteste Geruchskomposition aus dem modernsten Designer-Labor der Parfumindustrie gegen den unnachahmlichen Duft einer Sommerwiese, auf der frisch gemähtes Gras langsam zu Heu wird? Der aufwendigste Farbfilm in Multi-Maxi-Super-Technocolor fällt doch rasant ab gegen einen live erlebten Sonnenuntergang mit natürlichem Abendrot und echtem Vogelgezwitscher! Und was - so frage ich Sie - kommt dem Genüsse gleich oder auch nur nahe, den nach mehrstündiger Bergwanderung der erste Schluck aus einer frisch sprudelnden Quelle bereitet? Da würde jedem noch natürlich empfindenden Menschen selbst der erlesenste Champagner doch nur schalen Ekel bereiten, oder?
Es sind die wirklichen und einfachen Freuden des Lebens, die es wiederzuentdecken und bewußt zu genießen gilt!
Weg von der Protzerei des oktroyierten Konsums, weg von immer raffinierteren Genüssen und Süchten, zurück - um mit Rousseau zu sprechen - zurück zur Natur! Dort - und nur dort! - finden wir die echte und tiefe Befriedigung unserer Sehnsüchte, sofern diese nicht verschüttet und verfremdet, nicht längst schon verleitet und verführt worden sind.
Es gilt die Regel: je schlichter und einfacher, desto intensiver eine Freude, ein Genuß!
Mit ruhigen Stößen die erfrischenden Fluten eines Bergsees zu durchschwimmen, nackt, bei Vollmond, in einer Sommernacht... ein Spaziergang im Wald kurz nach dem Niedergehen eines Gewitters, wenn die Gerüche der erfrischten Erde und der Duft der Kräuter aufsteigen, wenn der Atem von Bäumen und Büschen die Sinne benebelt... sagen Sie mir: gibt es etwas, das dem gliche? Am frühen Morgen mit bloßen Füßen über eine taubenetzte Wiese laufen oder im verschneiten Winterwald mit dem Hund durch den Schnee tollen... alles Genüsse und Lüste, die in keinem Katalog angeboten, in keinem Warenhaus zu kaufen sind.
All dieser rustikalen Freuden sind wir entwöhnt; dem bescheidenen Leben sind wir längst entfremdet, aus welchen Motiven auch immer.
Also, Freunde: weg vom wesensfremden Konsum, Schluß mit der Manipulierung durch kommerzielle Interessen, zurück zu den einfachen Freuden des Alltags!
Ich werde mir gleich selbst noch so ein spartanisches kleines Genüßchen gönnen: hinein in den in bescheidenem Rot gehaltenen Testarossa von Ferrari, am Nebenliegesitz ein atemberaubendes einfaches Mädel, Typ Claudia Schiffer, sparsamst gekleidet in einen einfachen hauchdünnen Boutiquenfummel von Versace... und dann cool und lässig ab mit 240 über die Westtangente ins Abendrot... zum schlichten Rustikal-Imbiß bei „Alberto” (drei einfache Sternchen im Michelin!) und danach bei Vollmond und so in den erfrischenden Bergsee!...
Sagen Sie doch selbst: gibt es was Geileres als das einfache bescheidene Leben?
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