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Die Rezension als Ratgeber

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Kein besonders gutes Weihnachtsgeschäft für den Buchhandel: Zwar liegen noch keine genauen Zahlen vor, aber die Weihnachtsumsätze dürften heuer nur knapp über denen des Vorjahres gelegen haben. Das bedeutet, in Anbetracht der Teuerungsrate, wertmäßig einen leichten Rückgang.

Welche Bücher wurden nun zu Weihnachten 1977 am meisten gekauft? Eine Umfrage der FURCHE in zehn Wiener Buchhandlungen (Berger, Donauzentrum, Godai, Heidrich, Kärntnertor, Kuppitsch, Leo, Prachner, Ringbuchhandlung, Styria) ließ einen recht einheitlichen Trend erkennen. Die Mehrzahl der Buchhändler nannte spontan die gleichen sechs Titel unter den ersten zehn: „Das Große Altenberg-Buch“ (zweifellos mitbedingt durch Oskar Werners Lesung bei der Buchwoche), „Geschichten eines alten Österreichers“ von Alfons Cla-ry-Aldringen, die Karikaturensammlung „Titelseiten“ von Erich Sokol, die kritische Mozart-Biographie von Wolfgang Hildesheimer, „Mein Freund Jossele und andere neue Satiren“ von Ephraim Kishon und Heinrich Drimmels „Gott mit uns“. Was immerhin eine starke Eigenständigkeit des österreichischen Buchmarktes erkennen läßt.

Unter den anderen Büchern, die sich vor Weihnachten recht gut verkauften, schlagen die Austriaca weniger, aber immer noch durch. „Der Butt“ von Günther Grass, „Spurlos“ von Charles Berlitz (der neueste Bestseller über das gar er-schröckliche Geschehen im mysteriösen Bermuda-Dreieck), „Dor-nenvögel“ von Colleen McCullough und der auf den Spuren des Kin-sey-Reports wandelnde „Hite-Re-port“ waren schon länger und nicht nur in Österreich Dauerbrenner, dagegen wandten sich Niki Laudas „Protokoll“ und „Das k. u. k. Wien“ von Franz Endler mehr an patriotische Herzen.

Bei den Bildbänden soll der Trend zu den ganz teuren Ausgaben etwas nachgelassen haben. Bei einzelnen Buchhändlern gingen das „Ernst-Hagen-Seniorenbuch“, Agatha Christies letzter Miss-Marple-Krimi „Ruhe unsanft', die ,ßreviere“ aus dem Neff-Verlag, John Tolands Hitler-Biographie und die „Tagebücher 1945“ von Joseph Goebbels gut. Von einer echten NS-Welle kann man aber keineswegs sprechen. Ein Buchhändler gestand sogar ein, auf einem größeren Posten der Memoiren von General Speidel sitzenzubleiben.

Insgesamt zeigten sich die Buchhändler mit dem Weihnachtsgeschäft zufrieden, unter den meistgekauften Titeln überraschte sie selbst vor allem Hildesheimers ,Jdozart“, dem kaum einer im angeblich gegenüber Legendenzerstörungen so intoleranten Musikland Österreich einen solchen Verkaufserfolg zugetraut hätte. Sokols Karikaturenbuch, das erst knapp vor Weihnachten ausgeliefert wurde, drang mit bemerkenswerter Rasanz in die Spitzengruppe der Bestsellerliste vor. Einen Buchhändler verwunderte, daß ein Buch wie „Wotruba -Die Kirche in Wien-Mauer“ guten Absatz fand, einen anderen, daß Bestsellerautoren wie Torberg, Handke, Däniken und Segal mit ihren neuesten Werken nicht, mitunter nicht im entferntesten, an vergangene Erfolge anschließen konnten.

Entscheidend für Bucherfolge wird neben der Werbung immer mehr das Echo in den Massenmedien, vor allem die Zeitungsrezension. So konnten Buchhändler nach dem Erscheinen größerer Besprechungen ein sprunghaftes Ansteigen der Nachfrage feststellen. Die Orientierung an der Buchkritik ersetzt heute vielfach die persönliche Beratung durch den Buchhändler.

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