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Ein frommer Dandy

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Dr. h. c. H. C. Artmann (er erhielt am 11. Juni die Ehrendoktorwürde der Universität Salzburg) steht im Mittelpunkt des zweiten Heftes von „L und K” (wie sich die Literaturzeitschrift „Literatur und Kritik” aufgrundeinereinstweili-gen gerichtlichen Verfügung bis auf weiteres nennt) unter der neuen Herausgeberschaft (siehe FURCHE 13/1991). In dem Artmann gewidmeten Dossier findet sich nicht nur ein Auszug aus einem bisher unveröffentlichten Text mit dem Titel „Vorstadtballade” vor. 1958, den der Otto Müller Verlag im Sommer herausbringen wird, sondern auch ein Gedicht Marie-Therese Kerschbaumers, eine Erinnerung und einige Zeichnungen Markus Vallazzas sowie ein aufschlußreiches Interview mit dem 70jährigen Dichter.

In diesem Gespräch mit Herbert Ohrlinger beschwert sich Artmann darüber, daß man ihn nur als Dialektdichter zur Kenntnis genommen hat. Aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Wiener Gruppe galt er literarisch als Neuerer und wegen seiner „Berliner Zeit” um '68 auch politisch als Progressiver. Er selbst sieht das allerdings ganz anders. Er wollte eigentlich nur eine „ungeschriebene Sprache schriftbar machen” und hat sich im übrigen sehr darüber geärgert, daß seine vielen hochdeutschen Gedichte in den fünfziger Jahren abgelehnt worden sind. Denn: „Ich fühle mich als Literat absolut der literarischen Vergangenheit verbunden,... ich bin kein Neuerer, sondern ein Bewahrer des Alten.”

Und das gilt nicht zuletzt auch im Politischen. Zwar distanziert

et er sich nicht wie Peter Handke von den 68em, doch schreibt er sich selbst eine barocke Haltung zu mit einer an Joseph Roth gemahnenden Sehnsucht nach dem alten Österreich, womit Artmann, Peter Esterhäzy zitierend, „all das (verbindet), was mit der Donau zu tun hat.” In diesen Donauraum setzt er als Romantiker große Hoffnung: „So gerne ich Flandern oder Holland habe, sie verstehen uns einfach nicht. (...) Wenn hier die EG etwas zu sagen bekommt, dann ist es aus mit uns”. Deshalb kämpft er gegen sein No-future-Gef ühl mit mittelalterlicher Gläubigkeit an und sieht sich „im Grunde” als frommen Menschen.

Was sich sonst noch in diesem Heft findet, kann sich durchaus sehen lassen. Die Essays von Ludwig Fels, Zsuzsanna Gahse, Robert Menasse, Fulvio Tomizza und anderen sind im besten Sinne „Literatur und Kritik”.

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