6713980-1964_34_02.jpg
Digital In Arbeit

Krise, die keine ist

Werbung
Werbung
Werbung

Eine Berliner Tageszeitung stimmte vor kurzem ein bitteres Klagelied über den angeblichen Niedergang der österreichischen Kultur an und schreibt wörtlich: „Die Kultur in Österreich scheint problematischen Zeiten entgegenzugehen. Denn die Demission Karajans war .nur das weithin sichtbare äußere Zeichen für eine allgemein krisenhafte Situation, die nun offen zutage zu treten beginnt.“ Von österreichischen Schriftstellern — so unkt der Berliner Chronist weiter — befinde sich eine ansehnliche Reihe im Ausland, so Paul Celan, Ingeborg Bachmann, Erich Fried, H. C. Artmann, Johannes Urzidil, Manės Sperber, Elias Canetti, Jakob Lind, Martin Esslin, Fritz Hochwälder. Dirigenten wie Karl Böhm und Joseph Krips seien immer nur kurze Zeit in ihrer Ge burtsheimat und eine Reihe von aus Österreich stammenden hervorragenden Gelehrten wirke überhaupt nur im Ausland...

Dieser Trauergesang könnte von einem Österreicher geschrieben sein. Denn es gehört zum Wesen des Österreichers, mieseisüchtig zu sein und dennoch immer alles zu überstehen.

Man kann aber die Tatsache, daß bedeutende Österreicher im Ausland leben und dort ihre Stimme erheben, auch weniger negativ sehen. Schon nach Anton Wildgans pflegt Österreich seine „Erbschaft an Kultur nicht als engherziger Eigentümer, sondern gleichsam als Treuhänder der gesamten kultivierten Menschheit“. Ein kleines Land wie Österreich, das seit Jahrhunderten einen Überfluß an Begabungen und Talenten hervorgebracht hat und noch hervorbringt, geht nicht zugrunde, wenn ein Teil seiner schöpferischen Kräfte außerhalb seiner Staatsgrenzen wirkt. Der engstirnige Nationalismus, der möglichst inzüchtig und eifersüchtig seine Talente horten will, ist dem österreichischen Wesen zuwider. Warum sollen nicht österreichische Künstler und Schriftsteller in aller Welt wirken? Geht deshalb „die Kultur in Österreich problematischen Zeiten entgegen“?

Wo steht geschrieben, daß der Künstler und der Dichter nur im eigenen Vaterland wirken muß?

Die in der Geburtsheimat verbliebenen Dichter, wie etwa Felix Braun, Christine Busta, Heimito von Doderer, Herbert Eisenreich, Gerhard Fritsch, Paula Grogger, A. P. Gütersloh, Fritz Habeck, Rudolf Henz, Christine Lavant, Alexander- Lemet-Holenia, Max Mell, Franz Nabl, Heinrich Waggerl, Karl Wawra, Herbert Zand und andere, erfüllen genauso ihre „universale“ Sendung wie die außerhalb der Staatsgrenzen Lebenden. „Österreich hat seit jeher einen lebendigen und eigenartigen Beitrag zur deutschsprachigen Dichtung geleistet“, schreibt Wolfgang Kraus. Die einen wie die andern sind Botschafter ihres Vaterlandes ein Leben lang. Dieses Vaterland, so klein es auf der Landkarte ist, hat dennoch eine Größe, von der Joharines XXIIf. sagtet „Österreich ist ein. gpoßes Land, gleichgültig, welche Ausdehnung es hat.“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung