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Ein Szenarium der Schwarzen Magie

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„Hexen und Zauberer" präsentiert die Landesausstellung 1987 der Steiermark auf der Riegers-burg, doch nur von der „Hexenausstellung" redet man überall. „Gemma Hexen schaun" war seit 1. Mai bereits das Motto für Tausende, und wird es bis 26. Oktober wohl für eine knappe Viertelmillion sein. Solche Vernachlässigung des männlichen Elements darf Feministinnen nicht kränken, die ja zu dem landläufigen Irrtum, es sei immer nur gegen die Hexen - und das heißt für sie: gegen die Frauen - gegangen, das Ihrige redlich beitragen.

Derlei Irrtümer wollten Universitätsprofessor Helfried Va-lentinitsch und sein Team „nüchtern und ohne Sensationslust" richtigstellen; der für viele gewiß überraschend hohe Anteil der Männer, eben der „Zauberer" unter den Opfern, wird gebührend gezeigt. Deutlich gemacht wird auch, daß der Glaube an Schwarze Magie nicht, zweiter landläufiger Irrtum, ins „finstere Mittelalter" gehört, sondern dem Aufblühen der Naturwissenschaften in der Renaissance parallel läuft, auch wenn einmal von ff spätmittelalterlicher Hexenverfolgung" die Rede ist, und ein andermal von „Wurzeln, weit ins Mittelalter zurück". Daß diese bis in die heidnische Antike und die germanische Vorzeit zurückreichen, sagt wenigstens 4er Kafalog. ‘

Eher bestärkt wird der Besucher freilich in dem dritten landläufigen Irrtum, Hexen- und Ketzerverbrennung für eins zu nehmen, denn den Ketzern ist ein eigener Raum gewidmet. Auch wenn man die Verfolgung der Hexen und Zauberer verdienstvollerweise in den größeren Zusammenhang der „Sündenböcke und Außenseiter" stellen wollte.

konnte man sich die Ketzer sparen, denn diese waren als Rebellen ein eigenes Phänomen und oft eher die unterdrückte Mehrheit als eine außenseiterische Minderheit. Daß es im klassischen Land der Ketzerverfolgung, Spanien, kaum Hexenverfolgungen gegeben hat - außer, von Frankreich herüberzüngelnd, im Baskenland —, wird immerhin erwähnt.

Dies bleibt der einzige Einwand gegen ein Werk, dessen volksbildnerischer Eros nicht zu verkennen, dessen klärende Wirkung gerade in bezug auf die immer noch genug traurige, meist aber doch maßlos überschätzte Rolle des Katholizismus zu hoffen ist. Es ist ja nicht einfach antiökumenische Schadenfreude, wenn man darauf verweist, daß es Hexenglauben auch bei Luther, und Hexenverbrennung auch im protestantischen Bereich gab.

Da die Verfolgung der Hexen und Zauberer als europäisches Phänomen gezeigt wird, bei allem genaueren Eingehen auf die Steiermark, wie es einer Landesausstellung geboten ist, kommt auch das Uberkonfessionelle, nicht nur das Ubernationale der Tragödie deutlich heraus. Das Bestreben aber, nicht nur ein grausiges Spe-zialgebieE der’Geschichte auszuleuchten, sondern Ausblicke nach allen Seiten, eben größere Zusammenhänge zu bieten, von der Rolle der Frau in der frühen bis zur Judenverfolgung in der späten Neuzeit, von den Wandlungen der Volksfrömmigkeit wie der Rechtspflege, verdiente Aufmerksamkeit auch jenseits der Landes-, ja selbst der Staatsgrenzen.

Trotz aller Absage an „Sensationslust" - die bei diesem Thema unerläßliche Darstellung der Folter ist eine Sensation des Entset-. zens, die unser Jahrhundert leider genauso nötig hat wie die Mahnung, sich keine Sündenböcke und Außenseiter zu erfinden.

Die Gestalter der Ausstellung, das Architekten-Ehepaar Szysz-kowitz-Kowalski, sind dabei zuweilen plakativ-sinnfällig vorgegangen, haben aber das peinliche Panoptikum der vorjährigen Landesausstellung einfallsreich und geschmackvoll vermieden. Dazu kommt, daß die Steiermark ein karges Land ist. Die Huldigungssäle, Kaiserstiegen und riesigen Bibliotheksräume der reichen Donaustifte gibt es bei uns nicht. Die Burgen sind auf Verteidigung, nicht für Festakte eingerichtet. Selbst für große Ausstellungen haben wir nur kleine Räume. Auch mit diesem Problem sind die jungen Künstler überzeugend fertig geworden.

Soll man auf ein starkes Echo der Ausstellung auch deshalb hoffen, weil Schwarze Messen heute nicht nur im Film ihre Rolle spielen, eine „Hexenagentur" in Wien von der Wahrsagerin einschließlich Kaffeesatz bis zur Satans-priesterin alles „Einschlägige" vermittelt und im „Club 2" Sata-nologen und fröhliche Hexen den „Büdschirm .manchmal zum iBlocksberg erhöhen?

Vielleicht kommen nicht nur jene, die sich von Vorurteilen gegen Sündenböcke und Außenseiter heilen lassen wollen, sondern andere, die noch etwas lernen möchten? „Je technisierter die Welt, desto stärker die Flucht in den Aberglauben", wird im Raum 20 behauptet. Der Augenblick verspricht der Ausstellung alles Gute. Der Welt weniger.

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