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Faszinierender Sakrakaum für Linz

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Am 19. Mai 1981 weihte Bischof DDr. Franz Salesius Zauner die Kapelle der Pädagogischen Akademie der Diözese Linz. Diese Stadt besitzt damit einen weiteren neuen Sakralraum, der durch künstlerische Aussage fasziniert und durch die unkonventionelle Umsetzung religiöser Themen herausfordert.

Der Kapellenraum entstand nach Plänen der Architekten Dipl.-Ing. Franz Riepl und Dipl.-Ing. Dr. Othmar Sackmauer. Im

Rohzustand fügte sich der zentral ausgerichtete Raum in geometrischer Strenge in das Baukonzept. ^ Dem quadratischen Raum wurde ein Pyramidenstumpf aufgesetzt, diesem ein kubischer, abgeschrägter Lichtschacht. Der Pyramidenstumpf sitzt auf acht Säulen, hinter denen ein Umgang verläuft.

In sechsjähriger geistig-künstlerischer Auseinandersetzung entwickelte sich die Innengestaltung. Vertreter des Auftraggebers, Professoren und Studierende sowie die Gemeinschaft der Marianisten des Salesianums waren in diesen schöpferischen Prozeß einbezogen. Um Sinn und Maß wurde gerungen. Triumphaler Kunstexhibitionismus, der weltimmanente Kunstvoyeure erzeugt, war in Denken und Tat ausgeschlossen. So konnte von Professor Giselbert Hoke in Zusammenarbeit mit Architekt Riepl und Thomas Hoke ein angenommener Ort für Besinnung und religiöse Feier gestaltet werden. „Die Innenausstattung sollte sich dem geistigen Inhalt der Klosterregeln des heiligen Benedikt annähern. Den Betonwänden wurde^i mittels Farbe und Zeichnung ihre mechanische Struktur genommen." (Giselbert Hoke)

Dieser liturgische Raum ist Turm und hat das Thema Turm zum Gestaltungsmerkmal in den Fresken. Er öffnet sich nach oben aus der aufnehmenden Form der im Boden durch Neigung zur Mitte angedeuteten Schale, welche Geborgenheit gibt und zu ihr verpflichtet.

Turm thematisiert menschliches Vorhaben: einmal als gefährdende Erhöhung zur Selbsterlösung, zum anderen als Uber-schreitung zur Erlösung. Turm als Instrument. So erkennen wir in den Bildern der vier Fresken an der Innenseite des Pyramidenstumpfs: Turmbau zu Babel, Kreuzigung, Abendmahl und Marienthema.

Turmbau zu Babel: in der Darstellung bizarr drei in ein alles und nichts ausgreifende Einzeltürme mit isolierten Sisyphus-Fi-guren. — Jedes menschliche Werk enthält den Turmbaubazillus der Vermessenheit. Unmögliches möglich machen zu wollen, alles als Machbar ansehen zu wollen, alle Wirkung auf sich selber zuschreiben zu wollen. - „Homo faber", der auf sich selbst zurück und in grenzenlose Einsamkeit zurückgeworfen wird. Im Gegensatz dazu die Qualität des natürlichen Materials Holz (Fußboden, Tisch, Bänke): wie ein auf Ewigkeit gerichtetes Wachsen, Schicht um Schicht, eine umschließt fest die andere. Als Gegenpol zu technisch - kultivierter Betriebsamkeit handwerklich hergestellte Kirchenbänke.

Kreuzigung: Turm als Thema des Entzugs. Jesus Christus wird gekreuzigt und durch getriebenbetriebsames Tun von Schergen -Verbindung zum Turmbau - Thema - eingemauert, eine Provokation für jeden Christen: einzelne Ziegel von einzelnen Personen, Zeichen für Distanzierung, Verleugnung, Unterlassung. - Verlassen und einsam neben dem

Kreuzigungsturm die Potentaten, Machthaber über Willfährige, zum Instrument des Faschistoiden pervertierte Sklaven. Mögen diese Potentaten abschrecken von deformierendem autoritärem Verhalten, besonders Kindern gegenüber. An Jesu Botschaft orientierte Lehrer überbieten das Konzept humaner Schule.

Abendmahl: im Turm, in seinem Schutz die Abendmahlsgemeinschaft. Turm wird zur bergenden Hülle des Vermächtnisses, zum Tisch der Gemeinschaft, die einander hilft, ohne sich im innerweltlichen Altruismus zu erschöpfen. Leben aus dem eucharisti-schen Mahl bricht Wände auf, es ist Bereitschaft für andere. Der aus der Mauer dringende Blutstropfen symbolisiert es, verdichtet die Farbe des Feuers zum Zeichen. In der Eücharistief eier wird es am einfachen Holztisch gegenwärtig. Die Raumdiagonalen führen vom Gabentisch zum Altar, die andere vom holzgeschnitzten Vortragskreuz (Kopp Jakob) dorthin. Die dritte leitet den Glaubenden vom Abendmahlstisch zum Tabernakel (Thomas Hoke), dessen Silberschimmer auf Geheimnis und Unaufdring-lichkeit verweist.

Maria: Mater, Matrix, Zeichen des Hervorbringens, des Schöpferischen, der Geborgenheit und Aufgehobenheit, elfenbeinerner Turm, Kostbarkeit als Vorbild des Dienens und Bereitseins. Aus dem grünen Bildhintergrund knospen Fruchtbarkeitssymbole. Lehrer brauchen den Quellton des Schöpferischen und die Bereitschaft, Wachstum zu fördern. -Maria mit dem Kind als Urbild, auch für Kirche.

Das Wärme ausstrahlende Gewölbe der Fresken entstand ohne ausschmückende Details in knapper erzählerlder Weise. In den im dunklen Rostbraun gefärbten Umgängen’der Kapelle wurden von Giselbert Hoke händisch der Ikonologie entsprechende Bibeltexte an die Wand geschrieben.-Im Lichtschacht, dessen Grellheit durch eine untergehängte Stufendecke aus Holz gebrochen wird, vier gehende, nachdenkende Männer, die die vier Wände umkreisend verbinden. - Akademie als Garten der Denkenden, Park der Wahrheit-Suchenden.

Die Kapelle gehört den Studierenden dieser Pädagogischen Akademie und der (Drdensge-meinschaft der Marianisten, die das benachbarte Studentenheim Salesianum führen. Der söge-

nannte Zielparagraph des Schul-organisationsgesetzes liefert Legitimität, wenn auch nicht zwingend, eine Pädagogische Akademie mit einer Kapelle auszustatten: Kapelle als räumliche Form von Kirche als Einladung. Wer als Studierender oder Lehrer in die Gemeinschaft dieses Hauses tritt, verläßt die mögliche Unverbind-lichkeit von Einladung. Er hat sie angenommen als bleibende Gemeinschaft, die Botschaft Jesu und der Kirche aufzunehmen und zu leben. Daraus folgt verstärkte Bindung an diesen Zielparagraphen, der wohl formuliert, aber vergessensgefährdet, an der Spitze der Leitlinien für die österreichische Schule steht.

Die Ausgestaltung der Kapelle kostete insgesamt 2,4 Millionen Schilling. Dazu trugen das Land OberösteVreich 500.000 und das Bundesministerium für Unterricht und Kunst 200.000 Schilling bei. Die Bänke wurden vom Stift Schlägl gewidmet.

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