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„Figaro“ und „Andorra“

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Mit seinem 1961 uraufgeführten und vieldiskutierten Stück „Andorra“ hat sich der Schweizer Dramatiker Max Frisch das Ziel gesteckt, die Zuschauer mit einer nicht zu beantwortenden Frage zu konfrontieren. Sie besteht in der Schwäche des Menschen, dem anderen ein Bildnis nach der eigenen Vorstellung aufzuprägen, und nachdem es dieser angenommen hatte, ihn schließlich zu ruinieren, weil er konsequent an der Fremderschaffung festhält. Ein brennendes, an sich in der Aktualität zeitloses Problem, nur Frisch kre-

ierte sein Modell am Beispiel des Antisemitismus, wodurch das Thema allzusehr in die Vergangenheit verwiesen wird. Sein Jud Andri, transponiert auf Gegenwartsebene, ist der Zeitgenosse von heute, aufrührerisch in seinen Ideen, auflehnend gegen bestehende Ordnungsmaßstäbe. Daher verlangte „Andorra“ eine gewisse Überarbeitung, weil wir alle nach wie vor Andorraner sind und es bleiben und menschliche Unzulänglichkeiten niemals aus der Welt geschafft werden können. Die Erstaufführung in den Kam-

merspielen des Linzer Landestheaters hinterließ einen starken Eindruck und verspricht für den einst größten Nachkriegserfolg des deutschsprachigen Theaters auch viele Linzer Vorhänge. Jörg Buttlers Regie verbreitet Stimmungsdichte und eine Atmosphäre, in der sich das Geschehen dramatisch zuspitzt. Brigitte Erdmanns Ausstattung wählt statt der üblichen weißen Szenerie einen grauen, die öde Ausweglosigkeit symbolisierenden Hintergrund. In der Rolle des Andri erreicht Franz Josef Csencsits eine beachtliche Identifizierung mit seinem Part, Sophia Soltau stürmt voll junger Hingabe die Auftritte der Barblin, Michael Pawlik als Lehrer hat seinen Sprachton verfeinert, Maria Hanke nuanciert geschickt die Mutter. Imponierend hebt sich Edith Hieronimus als Senora von den gut charakterisierten Andorranern ab: Alf Beinell, Günther Panak, Ernst Zeller, Engelbert Jirak, Günter Arns-uiald, Gustl Meyer Fürst und Gottfried Pfeiffer. Langer Premierenbeifall.

Der designierte Linzer Opern- und Orchesterchef Theodor Guschlbauer dirigierte zu seinem Einstand Mozarts seit 1962 in Linz nicht mehr gespielte Buffo-Oper „Die Hochzeit des Figaro“. Dem anerkannten Mozart-Spezialisten gelang über den persönlichen Triumph hinaus eine für das Linzer Landestheater bemerkenswerte Aufführung (in der deutschen Übersetzung von Hermann Levi), mit der sich höchstwahrscheinlich ein neuer Opernstandard an der Donaustadt an-

bahnt. Denn endlich ist ein Mann gekommen, der in einem wohlüberlegten Arbeitsschema alle Kräfte und Fähigkeiten des musikalischen Ensembles wecken kann. Das beginnt beim Bruckner-Orchester, das Guschlbauer in der erst kurzen Zeit seines Einwirkens in einen reaktionsfähigen und engagierten Klangkörper verwandelte. Das setzt sich fort bei seiner Betreuung der Darsteller, die wirklich das Gefühl haben, jede Phrase mitgeatmet zu bekommen.

Die Inszenierung war zwar Alfred Schönolt anvertraut, aber Guschl-bauers Einfluß ist unverkennbar, besonders was die Personenführung anlangt. Hans Ohland stattete das Bühnenbild in bescheidener Stilisierung aus, aber das verstärkte nur die Konzentration auf die im „Figaro“ unerreicht scharfe und individuelle Durchzeichnung der Charaktere. Den schmalen Chorpart in der Partitur und die Choreographie für den Fandango haben sich Ernst Dunshirn und Ernst Pöstinger sehr angelegen sein lassen.

Präzision und Dynamik dominierten im Orchestergraben. Auf der Bühne gesangliche wie schauspielerische Bestleistungen durch: Lorenz Myers (Graf Alrnaviva), Althea Brid-ges (Gräfin), Margit Neubauer (Cherubin), Peter Pianella (Figaro), Nass-rin Azarmi (Susanna), Helga Wagner (Marcellina), Winfried Walk (Bar-tolo), Erwin Fogarasi (Basilio), Leonhard Päefcl (Don Curzio), Franz Mayer (Gärtner) und Janie Shook (Barbarina). Es gab — primär für Guschlbauer — einen Premierenjubel, wie ihn Linz schon lange nicht mehr erlebt hat. Georgina Szeless

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