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Slawische Operettenpracht

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Mit einem vollen, wohltönenden Akkord leitete Intendant Nemeth wieder die Grazer Opernsaison ein. Trotz dunkler Wolken am Budgethimmel ließ sich die Direktion nicht lumpen und bescherte als Auftakt den Grazer Opernfreunden einen prächtig studierten, schön und mächtig klingenden, genußvoll anzusehenden „Fürst Igor“ — einen so recht kulinarischen Opernabend, wie die Grazer ihn seit ein paar Jahren von ihrem Intendanten gewohnt sind. Das Prinzip, einer authentischen Interpretation möglichst nahe zu kommen, wurde auch diesmal nicht vernachlässigt: die Leitung der sorgfältig vorbereiteten Produktion hatte NikÜa Bereza, vormals Chef der Zagreber Oper und jetzt meist am Ki-row-Tbeater in Leningrad tätig — ein wahrlich kompetenter Künstler, dem es gelingt, die Partitur ohne Tschaikowski-Sound zu feurigem, leidenschaftlichem, manchmal grell folklorischem Klingen zu bringen. Im Grunde genommen ist die Oper Bo-rodins ja ihrer Anlage nach nicht gerade sehr dankbar; ihre epischen Längen sind einem interessierten Mitgehen eher abträglich. In Graz war der Regisseur Federik Mirdlta sehr bemüht, den Handlungsbogen spürbar zu machen. So war der dritte Akt, der als Motivierung der Flucht Igors aus der Gefangenschaft durch die Polowezer wichtig ist, zu einem guten Teil vorhanden; die Figuren des Galitzkij und der schwermutvollen Jaroslawna erhielten psychologisches Gewicht, und durch einige Umstellungen wurde im Schlußbild die jubelnde Chorapotheose erreicht, die dem etwas ermüdenden letzten Akt einen kräftigen Akzent verleiht. Mit großem Geschick hat der Regisseur, zusammen mit der Ausstatterin Anneliese Corrodi, mit verhältnismäßig geringem Personalaufwand ein Maximum an chorischer Monumentalwirkung erreicht, die aber dennoch immer logisch und sinnvoll bleibt.

Hilfreich hatte die Zagreber Oper das Grazer Ballett verstärkt: so wurden die Polowezer Tänze in Waclaw Orlikotoskis Choreographie zum begeistert goutierten Höhepunkt der Aufführung. Den Igor sang Stojan Popov — brillant am Beginn, etwas schwächer zum Schluß hin; sein bulgarischer Landsmann Stephan Elen-kov war ein prachtvoller Tataren-Khan.

Daß bei der eher tristen Finanzlage der Grazer Bühnen eine solche Aufführung möglich war, ist erstaunlich. Leider zeigte bereits die nächste Premiere, Mozarts „Figaro“, wie ernüchternd der Rückfall in den vor Nemeth üblichen langjährigen Operndurchschnitt sich ausnimmt. In Wirklichkeit war die „Premiere“ nur eine Umbesetzung und Neustudie-rung der seinerzeit von Märzendorfer herausgebrachten „Urfassung“. Die Aufführung, die nun von Wolfgang Bozic geleitet wird, fehlt jeglicher Glanz, der einst Märzendorfers Einstudierung auszeichnete; sie ist solistisch nur durchschnittlich und szenisch meist nur von gekünstelter Lebendigkeit.

Brechts „Kaukasischer Kreidekreis“ eröffnete die Saison im Schauspielhaus. Günther Tabor führte Regie: mit viel Respekt vor den szenischen Ideen und Vorschriften des Autors, wie sie in dessen Berliner Inszenierung konserviert wurden; mit viel Bedächtigkeit auch und mit viel Sinn für die Arrangements — aber ohne die dialektische Schärfe einerseits und das politische Pathos anderseits, die das Werk erst über die menschlich berührende Story hinausheben. Fritz Holzers Azdak ist eine der üblichen Lustspielfiguren, die der schillernden Widersprüchlichkeit dieser Gestalt nur wenig nahekommt, Ute Radkohl gibt berührend und ergreifend die Grusche, aber auch sie trifft die spezifische Profllie-rung nur im Ansatz.

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