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Was erwarten wir von der „Kammeroper“?

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Seit einigen Wochen spielt im Mozartsaal des Wiener Konzerthauses ein aus jüngeren Künstlern bestehendes und von einem jüngeren Dirigenten und Regisseur geführtes Ensemble, das sich „Wiener Kammeroper" nennt. Man begann mit „Signor Bruschino" von Rossini und führte nunmehr das zweite Programm vor: Mozarts Komödie mit Musik „Der Schauspieldirekto r", dem zwei OrcheSterwerke vorangestellt wurden, die das Kammerorchester der Wiener Konzerthausgesellschaft in stilgemäßen Kostümen der Mozart- zeit und bei Kerzenlicht exekutierte: Mozarts Divertimento D-Dur und Haydns „Ab- schiedssymphoni e". Die Kostümierung eines Orchesters und des Dirigenten auf dem Podium mag man zunächst als Maskerade und unverbindliche Kuriosität empfunden haben. Aber in Haydns „Abschiedssymphonie" zeigte, sie ihren Reiz und ihre Berechtigung. Denn man kann diese anspielungsreiche Zeremonie — wie ein Musiker nach dem andern seine Kerze auslöscht und das

Podium verläßt — nicht gut von Herren im Frack und Damen im Abendkleid vorführen lassen… Hier und bei der Leitung von Mozarts Gelegenheitskomposition „Der Schauspieldirektor" zeigte der Dirigent Hans Gabor seine Qualitäten: eine sichere Hand bei der Führung des Orchesters und des jungen, talentierten Sängerensembles (Robert Granzer, Joe Trümmer, Susanne Schellenberg, Lela Hafner und Walter Kinsky). Die Bühnenbildnerin und Kostümzeichnerin Carla Tietz brillierte in einer parodistisch angelegten Charakterrolle als Star-Schauspielerin Madame Pfeil. Nicht leicht hatte es der Regisseur Dr. Heinrich H a e r d 11, der mit Erfolg bemüht war, das aktionsarme Spiel zu beleben. Der ein wenig verstaubte Text wurde sehr glücklich modernisiert: nicht etwa, indem man ihn den Verhältnissen und der Sprache von 1954 adaptierte, sondern durch

Anklänge an den Stil und Wortwitz Nestroys, was Willy P r i b i 1 im ganzen gut, an einzelnen Stellen ausgezeichnet gelang.

Es ist begreiflich, daß die Leiter dieses jungen Ensembles sich zunächst an älteren Werken schulen und erproben müssen. Aber dann wird man sich an interessantere und wichtigere Aufgaben wagen müssen. In der Opernliteratur der Gegenwart gibt es eine ganze Reihe von Werken, die für ein solches Ensemble — zumal wenn es über ein Kammerorchester verfügt und sich nicht mit einer mageren und desillusionierenden Klavierbegleitung begnügen muß — wie geschaffen sind. Auf diese Weise könnte der statisch-konservative Spielplan unserer großen Opernhäuser aufs erfreulichste ergänzt und dem Publikum manche anregende N o-

vit ät vermittelt werden. Auch sollte man sich überlegen, ob man nicht die Verbindung zu einigen unserer Ballettgruppen aufnehmen könnte, die zwar sehr leistungsfähig, aber obdachlos sind und daher selten zum Zuge kommen. Auch hierbei eröffnet die Tatsache, daß ein kleines Orchester mitwirkt, die schönsten Perspektiven.

An den letzten beiden aufeinanderfolgenden Mittwochabenden spielten im Arkadenhof des Wiener Rathauses die Wiener Symphoniker. Leopold Emmer hatte ein hübsches, interessantes Programm zu absolvieren: Sechs Deutsche Tänze von Mozart und die Jenaer Symphonie von Beethoven, dazwischen ein Konzert für kleines Orchester von Roussel und eine Serenata von Casella. Ernst Pauls Divertimento für zwei Hörner und Streicher war wenig unterhaltend, obwohl man den langsamen Satz ausließ. Zugegeben: die Partitur ist dilettantisch und daher schwer zu spielen. Aber wir haben in einem öffentlichen Konzert noch selten eine so schwache Aufführung gehört, wie bei diesem Stück. Auch wurde, wie in einigen vorausgegangenen Serenadenkonzerten, durch allzugroße Konzilianz bei der Auswahl der zeitgenössischen Werke viel verdorben. — Das volle Orchester der Symphoniker musizierte mit vollem Einsatz unter der sicheren Führung von Hans Swarowsky am 25. August. Nahezu 2000 Zuhörer applaudierten begeistert — und gaben damit ihr Votum für gehaltvolle und gutstudierte Serenadenkonzerte ab — der „Meistersinger"-Ouvertüre, Schmidts „Variationen über ein Husarenlied" und der II. Symphonie von Brahms.

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